Hoffnungsträger

Anton Schmid
9. Jan. 1900

·

13. Apr. 1942

Steckbrief

Ich habe ja nur Menschen gerettet.

9. Jan. 1900

·

13. Apr. 1942
Wien

·

Vilnius

Wenn jeder anständige Christ auch nur einen einzigen Juden zu retten versuchte, kämen unsere Parteiheinis mit ihrer Lösung der Judenfrage in verdammte Schwierigkeiten. Unsere Parteiheinis könnten ganz bestimmt nicht alle anständigen Christen aus dem Verkehr ziehen und ins Loch stecken.

Wenn jeder anständige Christ auch nur einen einzigen Juden zu retten versuchte, kämen unsere Parteiheinis mit ihrer Lösung der Judenfrage in verdammte Schwierigkeiten. Unsere Parteiheinis könnten ganz bestimmt nicht alle anständigen Christen aus dem Verkehr ziehen und ins Loch stecken.

Anton Schmid wurde 1900 in Wien geboren. Er besaß ein Radiogeschäft, war verheiratet und hatte eine Tochter. Als der Zweite Weltkrieg ausbrach, wurde er zur deutschen Armee eingezogen (1938 wurde Österreich Teil Deutschlands und somit waren nun alle Österreicher deutsche Staatsbürger). Er diente zunächst in Polen und nach dem Angriff auf die Sowjetunion 1941 in den neu besetzten Gebieten. Schmid war in Wilna stationiert und wurde mit der Leitung der Versprengten-Sammelstelle betraut – der Armeeeinheit, die für die Verlegung von Soldaten zuständig war, die von ihren Einheiten getrennt worden waren. Sein Hauptquartier befand sich im Wilnaer Bahnhof und wie alle Menschen in der Gegend wurde er Zeuge der Verfolgung und Ermordung der Juden. Bald verbreiteten sich im Ghetto Gerüchte, ein österreichischer Soldat sei Juden gegenüber freundlich. Es war Schmid, der jede Möglichkeit nutzte, um den Juden zu helfen. Er stellte sie als Arbeiter für seine Militäreinheit ein, verschaffte einigen von ihnen Papiere, sorgte für die Freilassung anderer aus dem berüchtigten Lukiski-Gefängnis, nutzte seine Armeelastwagen, um sie an weniger gefährliche Orte zu bringen, und ging sogar so weit, Juden in seiner Wohnung und seinem Büro Unterschlupf zu gewähren.

Herman Adler und seine Frau Anita waren Mitglieder der zionistischen Bewegung in Wilna. Als Adler in Gefahr war, organisierte Schmid für das Paar ein Versteck in seinem Haus. Auf Adlers Bitte traf sich Schmid mit einem der Anführer der Dror-Pionierbewegung, Mordechai Tenenbaum-Tamarof. Zwischen dem Wehrmachtssoldaten und dem jüdischen zionistischen Aktivisten entwickelte sich eine besondere Beziehung. Schmid begann, den jüdischen Untergrund zu unterstützen.

Schmid benutzte wiederholt Militärfahrzeuge, um Juden aus Wilna, wo die Gefahr damals größer schien, an andere Orte mit relativer Ruhe zu schmuggeln. Er brachte Mitglieder der Widerstandsbewegung von Wilna nach Bialystok und sogar nach Warschau. Er vermittelte Kontakte zwischen jüdischen Untergrundgruppen an verschiedenen Orten, indem er Nachrichten übermittelte und Aktivisten transportierte. Im Oktober 1941 verteilten die Deutschen in einem Versuch, die jüdische Bevölkerung Wilnas zu reduzieren, 3.000 gelb gefärbte Genehmigungen an Facharbeiter. Jede Genehmigung schützte ihren Besitzer und drei Mitglieder seiner Familie. Alle übrigen Juden – diejenigen ohne Genehmigung – sollten getötet werden. Schmid sorgte dafür, dass seine jüdischen Arbeiter so viele Genehmigungen wie möglich erhielten, und half, die übrigen aus Wilna herauszuschmuggeln.

Am 31. Dezember 1941 empfing Schmid zur Neujahrsfeier die Führung der jüdischen Untergrundbewegung Dror in seiner Wohnung. Er nutzte die Gelegenheit, um erneut seine Abneigung gegen den Nationalsozialismus zum Ausdruck zu bringen. Tenenbaum, der ebenfalls anwesend war, antwortete, dass der jüdische Staat Schmid für seine Hilfe für die Juden ehren werde, wenn er nach dem Krieg gegründet werde. Schmid erwiderte, er werde diese Auszeichnung mit Stolz tragen. Bedauerlicherweise erlebten beide Männer das Kriegsende, die Gründung des Staates Israel und die Anerkennung von Schmids Heldentum durch den jüdischen Staat nicht mehr.

Mit der Zeit wurden Schmids Taten immer dreister. Tenembaum warnte ihn, dass seine Hilfe für die Juden weit verbreitet sei und er in großer Gefahr schwebe. Doch Schmid blieb hartnäckig und half den verfolgten Juden weiter. Seine Menschlichkeit sollte er mit dem Leben bezahlen. In der zweiten Januarhälfte 1942 wurde er verhaftet und wegen Hochverrats vor ein Kriegsgericht gestellt. Nach seiner Verurteilung wurde er im April 1942 hingerichtet.
Vor seiner Hinrichtung schrieb er aus seiner Gefängniszelle einen Brief an seine Frau: „Ich habe nur als Mensch gehandelt und wollte niemandem Schaden zufügen.“

Nicht nur Schmid musste die Folgen seines humanen und mutigen Verhaltens erleiden. Nach der Hinrichtung ihres Mannes wurden Schmids Witwe und Tochter von ihren Nachbarn wegen seines angeblichen Verrats beschimpft. Damals genoss der Nationalsozialismus breite Unterstützung in der Bevölkerung. Erst viele Jahre nach dem Krieg wurde in Wien eine Straße nach Schmid benannt.
1964 – über zwanzig Jahre nach Schmids Hinrichtung und Tenebaums Tod im Ghettoaufstand von Bialystok – erfüllte sich Tenebaums Versprechen an Schmid. Yad Vashem verlieh Anton Schmid den Titel „Gerechter unter den Völkern“.

© Yad Vashem

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