Hoffnungsträger

Ilse Totzke
4. August 1913

23. März 1987

PORTRAIT

Mir ist jeder anständige Mensch recht, ganz gleich welcher Nationalität.

Mit 16 Jahren kommt Ilse Totzke in ein Mädcheninternat nach Bamberg. Im Alter von 19 Jahren beginnt sie 1932 ein Musikstudium am bayerischen Staatskonservatorium in Würzburg. Dort belegt sie unter anderem Klavier, Violine und Dirigieren und knüpft viele Freundschaften, auch zu jüdischen Mitstudenten.
4. August 1913

23. März 1987
Straßburg

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Hagenau

Das Vorgehen gegen die Juden halte ich nicht für richtig. Mit diesen Maßnahmen kann ich mich nicht einverstanden erklären. Hierzu möchte ich betonen, dass ich keine Kommunistin bin. Mir ist ein jeder anständige Mann recht, ganz gleich welcher Nationalität er angehört.

Das Vorgehen gegen die Juden halte ich nicht für richtig. Mit diesen Maßnahmen kann ich mich nicht einverstanden erklären. Hierzu möchte ich betonen, dass ich keine Kommunistin bin. Mir ist ein jeder anständige Mann recht, ganz gleich welcher Nationalität er angehört.

Mit 16 Jahren kommt Ilse Totzke in ein Mädcheninternat nach Bamberg. Im Alter von 19 Jahren beginnt sie 1932 ein Musikstudium am bayerischen Staatskonservatorium in Würzburg. Dort belegt sie unter anderem Klavier, Violine und Dirigieren und knüpft viele Freundschaften, auch zu jüdischen Mitstudenten.

Ilse trägt gerne Anzug und Krawatte, trägt das Haar kurz geschnitten, fährt Motorrad und kommt häufig spät nach Hause. Ihr Äußeres erinnert an Lotte Hahm, eine bekannte Aktivistin der lesbischen Szene, die regelmäßig in der Zeitschrift Die Freundin porträtiert wird.

Die Nationalsozialisten hingegen propagieren ein neues Idealbild der Frau: Sie soll vor allem Mutter sein – pflichtbewusst, aufopferungsvoll und dem Staat dienend. Ilse Totzke passt sich diesem Bild nicht an und stößt deshalb auf große Intoleranz. So hat sie Schwierigkeiten, eine Wohnung zu finden; mehrere „arische“ Vermieter lehnen sie ab. Schließlich gelingt es ihr, eine Wohnung bei jüdischen Vermietern zu mieten – ein Umstand, der sie später in den Augen der Gestapo verdächtig macht.

1935 hat sie einen schweren Motorradunfall, der sie in ihrem Studium stark zurückwirft. Als sie 1938 oder 1939 gegenüber einem Professor offen ihre kritische Haltung zu Hitler äußert, wird sie vom Konservatorium verwiesen.
Ilse Totzke ist ihren Nachbarn suspekt – nicht zuletzt, weil sie keiner Arbeit nachgeht. Das muss sie auch nicht, denn sie lebt von einem beträchtlichen Erbe und ist finanziell unabhängig. Ihre Umgebung beobachtet sie misstrauisch: Sie bekommt kaum Post, hat jüdische Freunde und wohnt in der Nähe einer militärischen Einrichtung. Bald machen Gerüchte über Spionage die Runde.
Anfang 1941 durchsucht die Gestapo ihre Wohnung. Außer Büchern jüdischer Autoren wird nichts Belastendes gefunden. Totzke wird dennoch mitgenommen und verhört. Sie bestätigt den Kontakt zu jüdischen Freunden – und macht klar, dass sie daran nichts ändern werde. Nach dem Verhör wird sie zunächst freigelassen.
Im Oktober 1941 wird sie erneut vorgeladen – diesmal wegen einer angeblichen Beziehung zu einer Jüdin. Wenige Tage zuvor hatte das Reichssicherheitshauptamt erklärt, dass Freundschaften mit Juden künftig mit Schutzhaft in Konzentrationslagern bestraft würden. Totzke muss schriftlich bestätigen, dass sie darüber in Kenntnis gesetzt wurde.
Doch Ilse Totzke denkt nicht daran, ihre Freundschaften aufzugeben. Sie hilft zwei jüdischen Frauen bei der Flucht in die Schweiz. Im Februar 1943 wird sie wieder von der Gestapo vorgeladen. Um einer drohenden Verhaftung zu entgehen, versucht sie in Berlin bei ihrer Freundin Ruth Basinski unterzutauchen. Da auch Ruth kurz vor der Deportation steht, planen die beiden gemeinsam die Flucht in die Schweiz.
Kurz nach dem Grenzübertritt werden sie jedoch von Schweizer Grenzposten aufgegriffen und nach Deutschland zurückgeschickt. Auch ein zweiter Fluchtversuch scheitert – sie werden gefasst und der Gestapo übergeben. Ilse Totzke wird ins Konzentrationslager Ravensbrück deportiert, ihre Freundin Ruth Basinski nach Auschwitz. Beide überleben.

Im April 1945 wird Ilse Totzke durch die schwedisch-dänische Rettungsaktion der „Weißen Busse“ aus dem Konzentrationslager Ravensbrück befreit. Die vom Schwedischen Roten Kreuz organisierte Aktion rettet Tausenden Häftlingen das Leben – auch Ilse gelangt so nach Schweden in die Freiheit.

Ilse bleibt eine Zeit lang in Schweden, und lebt dann für einige Jahre in Paris. 1954 kehrt sie nach Würzburg zurück und beantragt für ihre Verfolgung eine Entschädigung. Nach einem langen Verfahren erhält sie für den Freiheitsentzug 3.750 DM und für den erlittenen beruflichen Schaden aufgrund des Verweises vom Konservatorium 5.000 DM.

Quellen: Staatsarchiv Würzburg, Gestapo-Akten, Aktenzeichen 16015.
Jutta Körner und Dorothea Keuler: Ilse Totzke auf FemBio Frauen Biographieforschung, online, 2023.

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