Weinfurter PF052401 · PF052402 · PF052403, 2024
Der Kunstparcours
PF052401 · PF052402 · PF052403, 2024
Der Zaun ist eine Idee, die von der Trennung kleinster Einheiten bis zur Abschottung ganzer Kontinente reicht. Es lohnt sich, dieses Konzept immer wieder zu hinterfragen.
EDUCATION
Diplom Bildende Kunst mit dem Schwerpunkt Bildhauerei HfG (Hochschule für Gestaltung), Offenbach am Main
GRANTS, AWARDS, RECOGNITION
2024 HESTIA Residency – Künstler-Residency, Belgrad
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Ein Blick hinter das Werk
Die neue Werkreihe PF052401 · PF052402 · PF052403 setzt diesen Gedanken fort. Ausgangspunkt ist der industriell gefertigte Palisadenzaun, ein Symbol für Abgrenzung und Kontrolle, zugleich aber ein grafisch präzises Objekt, das von Effizienz und Normierung erzählt. Der Zaun trennt und schützt, schließt ein und aus. Er definiert Territorien, Grenzen, Zuständigkeiten und wird so zu einem Spiegel gesellschaftlicher Machtverhältnisse.
Weinfurter interessiert sich neben der politischen Aufladung des Zauns auch für formale und mediale Dimensionen. In seinen Arbeiten verwandelt sich das standardisierte Gitter in ein fein austariertes System von Linien und Zwischenräumen. Kleinste Eingriffe – verschobene Stäbe, veränderte Winkel, minimale Unregelmäßigkeiten – erzeugen subtile Irritationen. Sie stören das Auge, lassen Raster und Ordnung ins Flirren geraten. Was zunächst wie ein technischer Fehler, ein sogenannter „Glitch“, wirkt, entpuppt sich als präzise gesetzter Eingriff, der das Verhältnis von Perfektion und Abweichung neu verhandelt.
Diese „Fehler im System“ sind zentral für Weinfurters Arbeit. Sie verweisen auf die Fragilität von Ordnung, auf das Moment, in dem Kontrolle in Unsicherheit kippt. Seine Gitter sind ebenso klar strukturiert wie poetisch offen, sie scheinen endlos weiterführbar und zugleich stets im Begriff, sich aufzulösen.
In der Ausstellung bilden die drei Gitter PF052401–03 eine räumliche Konstellation, die Bewegung und Wahrnehmung miteinander verknüpft. Je nach Standpunkt verschieben sich Linien, überlagern sich Strukturen, lösen sich Störungen auf oder treten plötzlich hervor. So entsteht ein wechselndes Spiel aus Klarheit und Verunsicherung, das den Betrachter auffordert, seine Position immer wieder neu zu bestimmen.
Weinfurters Arbeit ist damit weniger ein Kommentar zu Architektur oder Design als eine Untersuchung der Mechanismen, die unsere Wahrnehmung von Raum, Grenze und Ordnung formen. Seine Zäune trennen nicht, sie verbinden. Sie öffnen den Blick für das Dazwischen, für das Moment der Störung, in dem neue Bedeutungen entstehen. Und befragen, wie wir Raum und Kontrolle sehen, wo wir Distanz schaffen und wie wir sie wieder überwinden
Über die Künstler:in
Der Künstler (*1989 in Frankfurt am Main) studierte Bildende Kunst mit dem Schwerpunkt Bildhauerei an der HfG (Hochschule für Gestaltung) in Offenbach am Main und der Bezalel Academy of Arts and Design in Jerusalem. Weinfurter arbeitet vornehmlich mit industriell gefertigten Massenprodukten und bricht durch den gezielten Eingriff mit deren Norm. Die Wiederholung von Objekten setzt er dabei als künstlerische Strategie ein, um diesen eine neue Bedeutung zu verleihen. Weinfurter beschäftigt sich intensiv mit Fragen der Erinnerungskultur und -politik.
Neben Ausstellungen in der Moltkerei Werkstatt in Köln, im Kunstverein Bellevue-Saal in Wiesbaden oder der Kressmann Halle in Offenbach am Main hat er an AiR-Programmen in der Ukraine, Südafrika, Südkorea, Kolumbien und Serbien teilgenommen. Seine Arbeit wurde durch das Friedrich-Vordemberge-Stipendium der Stadt Köln, das Charlotte-Prinz-Stipendium der Stadt Darmstadt sowie Stipendien der Stiftung Kunstfonds und der Kunststiftung NRW in NRW ausgezeichnet.
Mathias Weinfurter wuchs in einer Hochhaussiedlung auf, in einem Umfeld, das von einer Architektur geprägt ist, die gleichermaßen für Rationalität, Funktionalität und soziale Verdichtung steht. Was viele als Ausdruck anonymer Tristesse empfinden, ist für Weinfurter eine Quelle der Faszination: die konsequente Umsetzung von Zweck und Struktur, die sich in klare Raster und modulare Systeme übersetzt. Diese ästhetische Erfahrung prägt sein künstlerisches Denken bis heute.
Weinfurter arbeitet mit Materialien, die dem Alltag entnommen sind, Gegenstände, die uns ständig umgeben, aber selten bewusst wahrgenommen werden. Leitern, Gitter, Zäune: funktionale Dinge, die in seiner künstlerischen Praxis neue Bedeutungsebenen erhalten. In seinen Installationen verwandeln sie sich in feingliedrige, fast zeichnerische Konstruktionen, die Wahrnehmung, Ordnung und kulturelle Prägung befragen.
Ardi Goldman Kunst-
und Kulturstiftung gGmbH
60386 Frankfurt