Pirgelis A the Giant, 2025
Der Kunstparcours
A the Giant, 2025
EDUCATION
M.A. Staatliche Kunstakademie Düsseldorf, Düsseldorf
GRANTS, AWARDS, RECOGNITION
2015 nominiert für den Hans-Purrmann-Preis, Speyer
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Ein Blick hinter das Werk
Diese poetische Sichtweise verdichtet sich in der Werkserie Giant like A (2024), in der zentrale Aspekte seines skulpturalen Denkens zusammenfließen. Die silbrig schimmernden Aluminiumtafeln tragen Spuren von Buchstaben – ein „A“ oder ein fragmentiertes „m“ und verweisen damit auf ihren industriellen Ursprung. Reihen von Nieten, Fugen und metallisch schimmernden Oberflächen erinnern an die Präzision der Flugzeugmontage und zugleich an die formale Strenge minimalistischer Skulptur. In ihrer seriellen Anordnung und reduzierten Formensprache knüpfen die Arbeiten an die Ästhetik von Donald Judd oder Carl Andre an. Doch während der Minimalismus der 1960er-Jahre auf makellose, industriell gefertigte Oberflächen setzte, zeigt Pirgelis das Gegenteil: Dellen, Kratzer und matte Partien verweisen auf Gebrauch, Witterung und Zeit. Die Metallplatten werden zu Bildträgern gelebter Geschichte, sie erscheinen zugleich skulptural und malerisch.
Pirgelis verschiebt damit die Grenzen zwischen Skulptur und Malerei, zwischen Konstruktion und Geste. Seine Objekte können an der Wand hängen, an sie gelehnt oder frei im Raum platziert werden; sie reagieren auf ihre Umgebung und verändern ihre Wirkung je nach räumlichem Kontext. „Im Kern“, so der Künstler, „geht es um die Fähigkeit der Skulptur, Raum zu formen und zu beeinflussen.“ Diese Offenheit gegenüber dem Ausstellungsraum führt zu einem vielschichtigen Verständnis von Form: Seine Werke sind nicht statisch, sondern performativ – sie definieren den Raum, den sie zugleich befragen. Die poetische und zugleich kritische Dimension von Giant like A liegt im Zusammenspiel von Materialität und Bedeutung. Der Traum vom Fliegen, so Pirgelis, „impliziert immer den Wunsch, menschliche Fähigkeiten zu überwinden“. In den abgenutzten Fragmenten seiner Flugzeugskulpturen manifestiert sich dieser Wunsch als „gescheiterte Hoffnung“, als Ruine einer Utopie, die dennoch die Möglichkeit ihrer ursprünglichen Vision in sich trägt.
Damit verknüpft Pirgelis technologische Relikte mit existenziellen Fragen nach Fortschritt, Vergänglichkeit und Transformation. Seine Werke oszillieren zwischen dokumentarischer Spur und ästhetischer Abstraktion, zwischen archäologischer Fundstelle und künstlerischer Konstruktion. Giant like A wird so zu einer Skulptur über die Grenzen des Menschlichen, über den Versuch, den Himmel zu erreichen, und über die Schönheit, die im Scheitern liegt.
Über die Künstler:in
Im Zentrum von Michail Pirgelis’ künstlerischem Schaffen steht die Erweiterung des Skulpturbegriffs. Seine Arbeiten oszillieren zwischen skulpturaler Zeichnung und wandelbarer Architektur, entstanden aus aussortierten Platten der Luftfahrtindustrie. Seit über zwei Jahrzehnten arbeitet der in Köln lebende Künstler mit Fragmenten ausrangierter Flugzeugkörper, die er auf sogenannten „airplane cemeteries“ in den Wüsten Arizonas und Kaliforniens findet. Dort, unter extremen klimatischen Bedingungen, verändern sich die Metalloberflächen: Sonne, Sand und Wind hinterlassen Spuren, Kratzer und Verfärbungen, die das Material mit einer unverwechselbaren Patina versehen. Diese Alterung, so Pirgelis, sei „von entscheidender Bedeutung“ für seine Arbeit, denn sie mache sichtbar, „wie die Dauerhaftigkeit des Traums vom Fliegen an ihre Grenzen kommt“. Die so geborgenen Fundstücke, gezeichnet von Wind, Wetter und Zeit, verwandelt Pirgelis in skulpturale Objekte. Oft belässt er sie in ihrem ursprünglichen Zustand und bewahrt damit ihre schwer fassbare, beinahe mythische Aura. Man könnte sie als found abstractions bezeichnen, gefundene Abstraktionen, die durch die Überführung in den Ausstellungsraum ihre Bedeutung verschieben. Indem Pirgelis diese vertrauten technischen Überreste in einen neuen Kontext stellt, fordert er dazu auf neu zu denken, was ein Objekt, eine Skulptur, ein Bild sein kann.
Der Künstler versteht seine Praxis als eine Form zeitgenössischer Archäologie. Schon als Kind habe er Archäologe werden wollen. Heute gräbt er im industriellen Zeitalter, birgt die Relikte einer Hochtechnologie, die ihre Funktion verloren hat. Er selbst beschreibt seine Faszination mit den Worten: „Ich sehe nur die Schönheit in diesen ausgebeuteten aeronautischen Körpern. Es ist das Nachlassen der Dauerhaftigkeit des Traums vom Fliegen in seiner reinsten Form.“
Einzelausstellungen inkludieren den Förderverein Kunstraum Fuhrwerkswaage e. V. und Odyssey, beide in Köln (beide 2022), Braunsfelder, Köln (2019, mit Ruth Wolf-Rehfeldt), Leopold-Hoesch-Museum, Düren (2016, mit David Ostrowski), Autocenter Berlin (2015) und Artothek, Köln (2011). Ausgewählte Gruppenausstellungen umfassen u. a. Wilhelm Hallen, Berlin (2022), Villa Sarre, Potsdam und byvier, Köln (beide 2021), Ludwig Forum, Aachen, und Gewölbe, Köln (beide 2020), DuMont Kunsthalle, Köln, Kunsthalle Nürnberg; Haus N, Athen, und Riot, Gent (alle 2019), Athens Biennale; Kunstverein Reutlingen und Marta Herford (alle 2018), Rubell Family Collection, Miami (2015), Istanbul Modern (2014), Bundeskunsthalle Bonn (2013), Museum Morsbroich, Leverkusen (2012), Thessaloniki Biennale (2011), Kunstmuseum Bonn (2010) und Stadtmuseum Düsseldorf (2005). 2026 werden seine Arbeiten in zwei Einzelausstellungen zu sehen sein: im Kunstraum München und im Kunstraum Dornbirn.
Ardi Goldman Kunst-
und Kulturstiftung gGmbH
60386 Frankfurt