eine kleine Stadt
in der Stadt
Für die, die sich verlaufen haben
Die Straßen und Plätze auf dem Uniongelände sind Wegweiser: Zeitreisen, die an die Schönheit des Lebens erinnern, die kreative Kraft der Hoffnung und den Mut zum Widerstand.
Platz des Europäischen Versprechens
Es ist eine Verbeugung vor dem gleichnamigen Platz in Bochum vor der Christuskirche nach Entwürfen des Künstlers Jochen Gerz. In den Boden des Platzes wurden Platten mit den Namen von Bürgern eingelassen, die sich für ein vereintes, friedliches Europa einsetzen, in dem die Menschenrechte und die Würde des Einzelnen respektiert werden.
Anielewicz-Platz
Dieser Platz erinnert an die tapferen Kämpfer des Aufstands im Warschauer Ghetto und einen ihrer Anführer, den Kommandanten Mordechaj Anielewicz. Am 19. April 1943 schlugen sie los und leisteten mit unbeugsamem Mut Widerstand bis zuletzt.
Berggasse 19
Die Adresse von Prof. Dr. Sigmund Freuds Privatpraxis im 9. Wiener Bezirk war wie ein Code für Eingeweihte. Überzeugt davon, dass psychische Erkrankungen in der persönlichen Geschichte ihren Ursprung haben, entwickelte Freud die Psychoanalyse. Denn nur wer sich selbst versteht, wird auch einen Platz in dieser aus den Fugen geratenen Welt finden. Gerade noch rechtzeitig konnte er 1938, nach dem Einmarsch der Deutschen, mit seiner Frau und seiner Tochter Anna nach England fliehen.
Neuturmstraße 5
Am 1. Januar 1933 – 29 Tage vor Hitlers Ernennung zum Reichskanzler feierte hier, in dem Münchner Revuetheater „Bonbonniere“, „Die Pfeffermühle“ Premiere. Gegründet hatten das „literarische“ dezidiert antifaschistische „Cabarett“ Erika Mann, ihr Bruder Klaus, der Komponist Magnus Henning und die Schauspielerin Therese Giehse. Doch schon bald, nach der Premiere, emigrierten sie nach Zürich.
Straße der Nationen
So lautet die Adresse des Konzentrationslagers Ravensbrück in Fürstenberg an der Havel. Eine der Inhaftierten war Milena Jesenská. Kafkas Briefe an sie sind weltberühmt. Aber nur wenige wissen, dass die Journalistin und Übersetzerin auch eine mutige Widerstandskämpferin war. Die die Flucht von Juden und nichtjüdischen Emigranten organisierte und Kommunisten vor der Gestapo versteckte. Sie soll ihren Mitgefangenen immer Mut zugesprochen haben, wird berichtet. Aber die Befreiung hat sie nicht mehr erlebt. Am 17. Mai 1944 starb Milena Jesenská an den Folgen einer Nierenoperation.
Rosenthaler Straße 39
Die Blindenwerkstatt in Berlin Mitte, wo Besen und Bürsten hergestellt wurden, existiert nach wie vor. Im dritten Reich versteckte hier der Kleinunternehmer Otto Weidt, selbst erblindet, seine jüdischen Mitarbeiter. Heute ist sie ein Museum.
Roscherstraße 16
In dieser Berliner Straße wohnte der berühmte Kinderbuchautor Erich Kästner von 1929 bis 1944. Ausgewählt wurde die Adresse, weil sich hier der junge Schauspieler Hans Albrecht Löhr, der im Film „Emil und die Detektive“ den „kleinen Dienstag“ spielt, mit seinem großen Vorbild Kästner anfreundete.
Meinekestraße 3
„Auschwitz kann sich jederzeit wiederholen“, so die bittere Erkenntnis des ungarischen Schriftstellers Imre Kertész. Sie steht auf der Gedenktafel an dem Haus in der Meinekestraße 3 in Berlin, wo er von 2001 bis 2012 gewohnt hat. In dem „Roman eines Schicksallosen“, an dem er 13 Jahre gearbeitet hat, hat er seine Erfahrungen in den Konzentrationslagern Auschwitz und Buchenwald beschrieben. 2002 erhielt er den Literaturnobelpreis.
Wilhelm-Wild-Straße 8
Hier wohnte der Philosoph Ernst Bloch, als er in den 1950er Jahren in Leipzig lehrte. Und hier hat er „Das Prinzip Hoffnung“ redigiert. Das dreibändige Werk einer „konkreten Utopie“ ist mittlerweile ein philosophischer Klassiker. Konkret ist die Utopie deshalb, weil sie möglich ist. Die Träume von einem besseren Leben können Wirklichkeit werden.
Nelly-Sachs-Straße 5
Im Nelly-Sachs-Haus in Düsseldorf, benannt wie die Straße nach der vor den Nazis nach Schweden geflohene Literaturnobelpreisträgerin, können jüdische Gemeindemitglieder ihren Lebensabend verbringen. Eine ihrer prominentesten Bewohnerinnen war Rose Ausländer. Lyrikerin wie die Namensgeberin, die sie sehr verehrte, widmete sie sich ganz dem Schreiben und empfing nur wenig Besuch. Rose Ausländer und Nelly Sachs kannten sich nicht persönlich, aber beide verband ihre Freundschaft mit Paul Celan und ihre intensive Auseinandersetzung mit den Traumata des Holocaust.
Grüneburgweg 95
1894 wohnten hier in Frankfurt am Main der Komponist Engelbert Humperdinck, bekannt für seine Oper „Hänsel und Gretel“, und Heinrich Hoffmann, der Arzt und Autor des „Struwwelpeter“. Von 1851 bis 1888 war Hoffmann Direktor der „Anstalt für Irre und Epileptische“. Er gilt als Reformer der Jugendpsychiatrie und hat den modernen Neubau der Klinik im Westen der Stadt auf dem Affensteiner Feld veranlasst. Hoffmann, der mit seiner Familie und „seinen Kranken“ unter einem Dach lebte, fand, dass der Eintritt des Arztes in eine Abteilung etwas vom Sonnenaufgang an sich haben müsse.
Ardi Goldman Kunst-
und Kulturstiftung gGmbH
60386 Frankfurt