Andreas-Friedrich Ruth
Hoffnungsträger
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PORTRAIT

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Wir sind nun mal keine Umbringer. Wir haben Ehrfurcht vor dem Leben. Das ist unsere Stärke und unsere Schwäche.
Kein Zweifel, Hitler will den Krieg. … Wir haben ‚Nein‘ gesagt – ‚Nein‘ gedacht. Wir meinen Nein. Und wir wollen nicht.
Ruth Andreas-Friedrich in ihrem Tagebuchbericht, 27. September 1938.
Kein Zweifel, Hitler will den Krieg. … Wir haben ‚Nein‘ gesagt – ‚Nein‘ gedacht. Wir meinen Nein. Und wir wollen nicht.
Die Berliner Journalistin Ruth Andreas-Friedrich und ihr Lebensgefährte, der Dirigent Leo Borchard, beobachten mit wachsender Sorge die immer schärferen Maßnahmen des NS-Regimes gegen Juden. Sie helfen jüdischen Bekannten bei der Flucht aus Deutschland und nehmen während des antijüdischen Pogroms im November 1938 Freunde in ihrer Berliner Wohnung auf.
Bald darauf treffen sich dort regelmäßig Gleichgesinnte, um über Hilfen für Verfolgte zu beraten. Später trägt die Gruppe den Namen Onkel Emil. Als im Laufe des Jahres 1942 immer mehr Berliner Juden vor der Deportation in die Illegalität fliehen, unterstützt Andreas-Friedrich mit ihrem Freundeskreis die Verfolgten. Sie besorgen Lebensmittelmarken, Nahrung und gefälschte Papiere und organisieren Quartiere. 1943 verbreitet das Helfernetzwerk Kopien des letzten Flugblattes der Münchener Widerstandsgruppe Weiße Rose in Berlin.
In der Nacht vom 18. auf den 19. April 1945 beschriften sie Häuserfassaden im Berliner Süden mit einem gut sichtbaren „NEIN“ und verteilen zwei Nächte später zahlreiche Flugblätter, in denen sie zum Widerstand gegen Hitlers Durchhaltebefehle aufrufen.
© Gedenkstätte Deutscher Widerstand
Nach dem Krieg setzte Ruth Andreas-Friedrich ihr Engagement fort. Sie trat der SPD bei und gab für ein Jahr das Frauenmagazin Lilith heraus. Später ließ sie sich in München nieder und arbeitete dort als Journalistin und Autorin. 1952 heiratete sie Walter Seitz, ein ehemaliges Mitglied ihrer Widerstandsgruppe Onkel Emil.
Ihr Leben endete im September 1977, als sie den Freitod wählte. In ihrem Abschiedsbrief schrieb sie, der richtige Zeitpunkt sei nun gekommen.
Mit ihrem 1947 veröffentlichten Buch Der Schattenmann hinterließ sie ein eindrucksvolles Zeugnis des zivilen Widerstands gegen die NS-Diktatur. Ihr Mut und ihr unermüdlicher Einsatz zeigen, wie wichtig es ist, Verantwortung zu übernehmen und sich für Gerechtigkeit sowie Mitmenschlichkeit einzusetzen.
Ruth Andreas-Friedrich wurde im Jahr 2002 von der Gedenkstätte Yad Vashem als Gerechte unter den Völkern ausgezeichnet, ihre Tochter Karin im Jahr 2004.
Im Oktober 1988 wurde eine Gedenktafel für Ruth Andreas-Friedrich und Leo Borchard an ihrem ehemaligen Wohnhaus Hünensteig 6 in Berlin-Steglitz angebracht.
Wolfgang Benz: Protest und Menschlichkeit. Die Widerstandsgruppe „Onkel Emil“ im Nationalsozialismus. Stuttgart 2020.
Susanne Beer/Marten Düring: Hilfe für jüdische Verfolgte im Nationalsozialismus. Biographische und sozialstrukturelle Zugänge am Beispiel der Berliner Helferin Ruth Andreas-Friedrich, in: Medaon – Magazin für jüdisches Leben in Forschung und Bildung 5, Nr. 9, S. 1-17. 2011.
Karin Friedrich: Zeitfunken. Biografie einer Familie. München 2000.
Ruth Andreas-Friedrich: Der Schattenmann. Tagebuchaufzeichnungen 1938–1945. Berlin 2000.
Ruth Andreas-Friedrich: Schauplatz Berlin. Tagebuchaufzeichnungen 1945-1948. Erstveröffentlichung Berlin 1967.
Almut Finck: NS-Widerstandskämpferin. Als das Tagebuch der Ruth Andreas-Friedrich erschien. Deutschlandfunk-Archiv, 06.07.2022.
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