Hoffnungsträger

Philipp Auerbach
8. Dezember 1906

16. August 1952

PORTRAIT

Ich kann das entehrende Urteil nicht ertragen.

Philipp Auerbach wird 1906 in eine deutsch-jüdische Kaufmannsfamilie geboren. Der gelernte Kaufmann, Drogist und Chemiker flieht 1934 mit seiner Frau und der kleinen Tochter vor den Nationalsozialisten nach Belgien. Doch auch dort ist er nicht sicher: 1940 wird er verhaftet, nach Frankreich abgeschoben und in mehreren Lagern interniert.
8. Dezember 1906

16. August 1952
Hamburg

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München

„Ich habe mich niemals persönlich bereichert und kann das entehrende Urteil nicht weiterhin ertragen. Ich habe bis zuletzt gekämpft, umsonst ... Mein Blut komme auf das Haupt der Meineidigen“.

„Ich habe mich niemals persönlich bereichert und kann das entehrende Urteil nicht weiterhin ertragen. Ich habe bis zuletzt gekämpft, umsonst ... Mein Blut komme auf das Haupt der Meineidigen“.

Philipp Auerbach wird 1906 in eine deutsch-jüdische Kaufmannsfamilie geboren. Der gelernte Kaufmann, Drogist und Chemiker flieht 1934 mit seiner Frau und der kleinen Tochter vor den Nationalsozialisten nach Belgien. Doch auch dort ist er nicht sicher: 1940 wird er verhaftet, nach Frankreich abgeschoben und in mehreren Lagern interniert. 1944 deportieren ihn die Nazis nach Auschwitz, später nach Buchenwald. Im April 1945 wird er von US-Truppen befreit – schwer gezeichnet, aber am Leben.

Trotz allem bleibt Auerbach nach dem Krieg in Deutschland. Er glaubt fest an einen Neuanfang, an ein demokratisches Deutschland, in dem jüdisches Leben wieder möglich ist.

Schon früh setzt er sich für die Entschädigung der Opfer des Nationalsozialismus ein – nicht nur für jüdische Überlebende, sondern für alle Verfolgten. Auf Wunsch jüdischer Organisationen und des bayerischen Innenministers wird er 1946 zum Staatskommissar für rassisch, religiös und politisch Verfolgte ernannt. 1949 übernimmt er zusätzlich die Leitung des Landesentschädigungsamtes in München. Tausende Holocaust-Überlebende, sogenannte Displaced Persons (DP), suchen bei seiner Behörde Hilfe. Viele sind mittellos, ohne Bleibe oder Perspektive. Auerbach hilft unbürokratisch, vermittelt Ausreisen, verschafft Schutz. In seiner fünfjährigen Amtszeit als Staatskommissar unterstützt er bis zu 100.000 Juden bei der Ausreise aus Bayern.

Doch sein Engagement bringt ihm nicht nur Wertschätzung, sondern macht ihn auch angreifbar. In einer Bundesrepublik, die vom kalten Krieg beeinflusst ist und sich auf Westintegration und Stabilität konzentriert, gilt Auerbachs Einsatz für eine konsequente Wiedergutmachung und Aufarbeitung der NS-Vergangenheit als störend. Er gerät zunehmend ins Visier von Politik und Justiz. 1951 wird er verleumdet, seines Amtes enthoben und verhaftet. Die Vorwürfe: Unterschlagung, Veruntreuung von Entschädigungsgeldern, Bestechung, Meineid und Titelmissbrauch. Nach 13 Monaten Untersuchungshaft beginnt ein aufsehenerregender Prozess – unter Richtern, die teilweise bereits während der NS-Zeit in der Justiz tätig waren. Einige Anklagepunkte, wie die unrechtmäßige Führung eines Doktortitels, treffen zu, viele andere erweisen sich als haltlos. Dennoch wird Auerbach zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt. Zwei Tage später nimmt er sich das Leben.

Er überstand ein SS-Gefängnis in Paris, mehrere Internierungslager, die Konzentrationslager Auschwitz und Buchenwald sowie einen Todesmarsch im Januar 1945. Den Prozess und das Urteil überlebte er nicht. Tausende DP demonstrieren gegen das Urteil. Auf seinem Grabstein steht: „Helfer der Armen, Opfer seiner Pflicht.“

1954 wird Auerbach vom bayerischen Landtag vollständig rehabilitiert. Der Untersuchungsausschuss kommt zu dem Schluss, dass seine Aufgaben außergewöhnlich waren – und mit den Mitteln gewöhnlicher Amtsführung nicht zu bewältigen gewesen wären.

Quellen: Hans-Hermann Klare: Auerbach. Eine jüdisch-deutsche Tragödie oder Wie der Antisemitismus den Krieg überlebte, Berlin 2022.
Karl Bachsleitner: Der Fall Philipp Auerbach.

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