Borchard Leo
Hoffnungsträger
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PORTRAIT

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Wir sind nun mal keine Umbringer. Wir haben Ehrfurcht vor dem Leben. Das ist unsere Stärke und unsere Schwäche.
Kein Zweifel, Hitler will den Krieg. … Wir haben ‚Nein‘ gesagt – ‚Nein‘ gedacht. Wir meinen Nein. Und wir wollen nicht.
Ruth Andreas-Friedrich in ihrem Tagebuchbericht, 27. September 1938.
Kein Zweifel, Hitler will den Krieg. … Wir haben ‚Nein‘ gesagt – ‚Nein‘ gedacht. Wir meinen Nein. Und wir wollen nicht.
Leo (Lew) Borchard kommt in Moskau zur Welt. 1917 lässt sich Mutter Eugenia mit Sohn und Tochter in Finnland nieder. Leo Borchard studiert in Helsinki und Berlin Musik. Er arbeitet als Dirigent und Kapellmeister in Berlin und Königsberg. Mit seiner Lebensgefährtin, der Journalistin Ruth Andreas-Friedrich, wohnt er seit den 1930er Jahren im selben Haus am Hünensteig 6 in Berlin-Steglitz. Beide beobachten die Verfolgung von Oppositionellen und Juden mit Sorge. Nach den Novemberpogromen 1938 laden sie regelmäßig Gesinnungsfreunde in ihre Wohnungen ein, um über Hilfen für Verfolgte zu beraten. Von 1942 an unterstützen das Paar und ihr Freundeskreis vorrangig Juden, die in Berlin untergetaucht sind. Einzelne nehmen sie zeitweise bei sich auf, für andere besorgen sie Quartiere, Nahrung und gefälschte Papiere. Ab September 1943 gibt Borchard dem jungen Konrad Latte aus Breslau Musikunterricht. Er versorgt den jüdischen Musiker mit Essen und Quartieren. Als Borchard von ausländischen Ensembles engagiert wird, sucht er unter anderem in Schweden Unterstützung für den Widerstand. Mithilfe des befreundeten Arztes Walter Seitz täuscht Borchard Anfang 1945 ein Nierenleiden vor und entgeht so der Einziehung zum „Volkssturm”. Mit weiteren Mitgliedern der Gruppe „Onkel Emil” malt er im April 1945 aus Protest gegen das Hitlerregime in einer riskanten Aktion das Wort „Nein” an viele Berliner Hauswände.
Kurz nach Kriegsende wird Leo Borchard Leiter der Berliner Philharmoniker. Im August 1945 wird er während einer Autofahrt durch die Stadt bei einer Militärkontrolle versehentlich erschossen.
© Gedenkstätte Deutscher Widerstand
1943 widmete ihm Gottfried von Einemsein Capriccio für Orchester, op. 2: „Leo Borchard in Freundschaft gewidmet“. Borchard dirigierte die Uraufführung mit den Berliner Philharmonikern am 11. März 1943.
Im Oktober 1988 wurde am Wohnhaus von Ruth Andreas-Friedrich und Leo Borchard eine Berliner Gedenktafel
1990 erhielt die Musikschule des Berliner Bezirks Steglitz den Namen Leo-Borchard-Musikschule. Sie wird nach der Fusion mit der Musikschule in Zehlendorf zur Leo-Borchard-Musikschule Steglitz-Zehlendorf.
1995 widmeten die Berliner Philharmoniker unter Claudio Abbado ihrem früheren Dirigenten ein Festwochen-Konzert.
Wolfgang Benz: Protest und Menschlichkeit: Die Widerstandsgruppe „Onkel Emil“ im Nationalsozialismus. Ditzingen 2020.
Matthias Sträßner: Der Dirigent der nicht mitspielte. Leo Borchard 1899-1945. Berlin 2017.
Ruth Andreas-Friedrich: Der Schattenmann. Tagebuchaufzeichnungen von 1938–1948. Berlin 2000.
Leo Borchard dirigiert die Overtüre zur Fledermaus von Johann Strauss. YouTube.
Leo Borchard dirigiert Tschaikowskys Romeo und Julia. Aufnahme von 1945. YouTube.
Markus Vanhoefer: Was heute geschah – 23. August 1945 – Leo Borchard wird erschossen. BR Klassiker 21.08.2023.
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