Hoffnungsträger

Emil Carlebach
10. Juli 1914

9. April 2001

PORTRAIT

Hitler war kein Betriebsunfall.

Am 10. Juli 1914 wurde Emil Carlebach in Frankfurt am Main in einer traditionsreichen Rabbinerfamilie geboren. Als prägendes Erlebnis beschrieb er den Justizmord an den anarchistischen US-amerikanischen Arbeitern Nicola Sacco und Bartolomeo Vanzetti. Nach dem umstrittenen Gerichtsurteil gegen die beiden politisch aktiven Arbeiter und Streikführer wegen der angeblichen Beteiligung an einem Doppelraubmord gab es auf der ganzen Welt Massendemonstrationen gegen die geplante Hinrichtung.
10. Juli 1914

9. April 2001
Frankfurt am Main

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Frankfurt am Main

Der Bourgeoisie soll der Gänsebraten im Halse stecken bleiben! Nieder, nieder, nieder!

Der Bourgeoisie soll der Gänsebraten im Halse stecken bleiben! Nieder, nieder, nieder!

Am 10. Juli 1914 wurde Emil Carlebach in Frankfurt am Main in einer traditionsreichen Rabbinerfamilie geboren. Als prägendes Erlebnis beschrieb er den Justizmord an den anarchistischen US-amerikanischen Arbeitern Nicola Sacco und Bartolomeo Vanzetti. Nach dem umstrittenen Gerichtsurteil gegen die beiden politisch aktiven Arbeiter und Streikführer wegen der angeblichen Beteiligung an einem Doppelraubmord gab es auf der ganzen Welt Massendemonstrationen gegen die geplante Hinrichtung. Emil Carlebach wurde Zeuge einer solchen Versammlung in Frankfurt, die gegen die Hinrichtung am 23. August 1927 protestierte.

Nach dem Abitur begann er im Mai 1932 eine Lehre in einer Frankfurter Ledergroßhandlung und trat am gleichen Tag in den Zentralverband der Angestellten (ZdA) ein, noch 1931 war er in den Kommunistischen Jugendverband Deutschlands (KJVD) eingetreten.

Als Hitler am 1. Mai 1933 vom Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbund eingeladen wird, auf einer Berliner Kundgebung der Gewerkschaft zu sprechen, war Emil Carlebach mit seiner Gruppe in Frankfurt so gut organisiert, dass er im Radio die Hitlerrede anhörte und währenddessen ein Flugblatt dazu verfasste, in dem er die soziale Demagogie der Rede entlarvte und Hitlers Pläne zur Zerschlagung des politischen Widerstands benannte. Das Flugblatt wurde am Nachmittag von der kleinen Gewerkschaftsgruppe vervielfältigt und noch in der gleichen Nacht in die Briefkästen verteilt. Eine außerordentliche Leistung – unter den Bedingungen von Illegalität.
Anfang 1934 wurde Emil Carlebach wegen der Herstellung und Verbreitung antifaschistischer Zeitungen zu drei Jahren Gefängnis verurteilt. Nach der regulären Haft wurde er 1937 in das Konzentrationslager Dachau verbracht und war ab 1938 bis zur Selbstbefreiung des KZ in Buchenwald inhaftiert. Unter den Bedingungen der Haft setzte er den Widerstand fort: Er war sowohl in der internationalen Widerstandsorganisation als auch als „Blockältester“ in verantwortlichen Positionen tätig.

Die Mitglieder des Lagerkomitees sorgten für eine gerechte Essensverteilung, schützten Mitgefangene und beschafften Waffen zur Vorbereitung eines Aufstands. 904 Kinder aus Block 66 konnten vor Zwangsarbeit und Missbrauch gerettet werden. Mithäftlinge versorgten sie heimlich mit Nahrung, Kleidung und Heizmaterial. Er gehörte zu den Häftlingen, die das Signal zum Aufstand am 4./5. April 1945 gaben und das Lager mit den befreiten Gefangenen und festgenommenen SS-Wachleuten am 11. April 1945 den heranrückenden US-amerikanischen Einheiten übergaben.

Emil Carlebach blieb mit der Erfahrung von elf Jahren faschistischer Haft überzeugter und aktiver Antifaschist. Als solcher wurde er zum 1. August 1945 von den alliierten Behörden in der US-amerikanischen Besatzungszone zum Lizenzträger und zu einem der Chefredakteure der neu gegründeten „Frankfurter Rundschau“ berufen. Er wurde Stadtverordneter der KPD in Frankfurt, Abgeordneter des hessischen Landtages und arbeitete an der Hessischen Landesverfassung mit. Mit Beginn des Kalten Krieges wurde Emil Carlebach 1947 – erneut auf Weisung der US-Behörden – wieder aus der Leitung der „Frankfurter Rundschau“ entfernt.

Er arbeitete weiterhin als Journalist, war Mitbegründer der VVN (Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes) und Erster Vizepräsident des Internationalen Komitees Buchenwald Dora und Kommandos.

Durch das KPD-Verbot 1956 wurde Emil Carlebach erneut als Kommunist verfolgt und floh in die DDR. Nach seiner Rückkehr in die Bundesrepublik 1969 war er bis zu seinem Tod in verschiedenen Funktionen für die VVN-BdA, die DKP und die Deutsche Journalisten-Union (dju) tätig.

Emil Carlebach starb am 9. April 2001 in Frankfurt am Main.

© Lena Carlebach, Mathias Meyers

Ardi Goldman Kunst-
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Carl-Benz-Straße 35
60386 Frankfurt

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