Gräbe Hermann Friedrich
Hoffnungsträger
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PORTRAIT

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Er konnte sich nicht damit abfinden, stummer Beobachter zu sein.
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Nachdem ich solche Sachen gesehen hatte, gab es für mich keine andere Wahl, als noch härter zu arbeiten, um die Juden, die zu mir kamen, zu retten. Man kann nicht so viel Blutvergießen erleben und davon unberührt bleiben. Ich musste etwas unternehmen. Ich musste so viele Menschen beschützen, wie ich konnte.
Hermann Friedrich Gräbe
Nachdem ich solche Sachen gesehen hatte, gab es für mich keine andere Wahl, als noch härter zu arbeiten, um die Juden, die zu mir kamen, zu retten. Man kann nicht so viel Blutvergießen erleben und davon unberührt bleiben. Ich musste etwas unternehmen. Ich musste so viele Menschen beschützen, wie ich konnte.
Hermann Friedrich Gräbe war Bauingenieur bei einer Solinger Firma, die ab 1941 im Auftrag der Organisation Todt Bauprojekte im besetzten Gebiet der Ukraine durchführte. Tausende jüdische Zwangsarbeiter wurden für diese Arbeiten eingesetzt.
Gräbe wurde Zeuge von Verfolgungen, Misshandlungen und Erschießungen. Statt wegzusehen, setze er sich immer wieder für die jüdischen Arbeiter seiner Firma ein. Im Sommer 1942 rettete er 150 Menschen aus den Ghettos von Ostrog, Mizocz und Zdolbunow, als er von einer bevorstehenden Mordaktion in Rowne erfuhr. Mit einem offiziell ausgestellten „Schutzbrief“ brachte er sie rechtzeitig in Sicherheit.
Als das Ghetto Zdolbunow wenig später selbst geräumt wurde, beschaffte Gräbe gefälschte „arische“ Papiere für seine verbliebenen Arbeiter und ihre Familien. Auf eigene Kosten richtete er eine Scheinfirma in Poltawa ein – einzig mit dem Ziel, ihnen dort ein Versteck zu bieten.
Im Laufe der Zeit erweckte Gräbes unprofitable Arbeitsweisen das Misstrauen seiner Vorgesetzten in Solingen, die ihn wegen angeblicher Veruntreuung vor Gericht stellen wollten. Doch bevor es zum Verfahren kam, floh Gräbe mit rund zwanzig jüdischen Mitarbeitenden nach Warschau und von dort ins Rheinland. Im September 1944 lief er mit seinen Schützlingen zu den Amerikanern über.
Nach dem Krieg arbeitete Gräbe eng mit den US-Behörden zusammen, um NS-Verbrechen aufzuklären. Er half bei der Vorbereitung der Nürnberger Anklageschriften wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die von den Deutschen in Wolhynien begangen wurden – und sagte als Zeuge über die Massenerschießungen in Wolhynien aus – darunter über ein Massaker am 5. Oktober 1942, das er selbst miterlebt hatte.
Aufgrund wiederholter Drohungen wanderte Gräbe 1948 mit seiner Familie in die USA aus. Doch selbst dort hörte er nicht auf, sich mit der deutschen Nachkriegsgesellschaft zu beschäftigen. Er setzte sich weiter für die Strafverfolgung von NS-Tätern ein – und wurde in einem Land, das sich schnell dem Wiederaufbau zuwandte, zum unerwünschten Störenfried, der in Deutschland erst viele Jahre nach seinem Tod 1986 Anerkennung gefunden hat.
Quelle: Yad Vashem
Am 23. März 1965 ehrte Yad Vashem Hermann Friedrich Gräbe als „Gerechten unter den Völkern“.
Auszug aus seiner eidesstattlichen Erklärung, die in den Nürnberger Prozessen verlesen wurde. NS-Dokumentationsarchiv. Dokumente zum Nationalsozialismus – Online.
Douglas K. Huneke: „In Deutschland unerwünscht. Hermann Gräbe. Biografie eines Judenretters“. Lüneburg 2002.
Horst Sassin: Fritz Gräbe. Retter verfolgter Juden und Polen (1900-1986). Portal rheinische Geschichte – Online.
In Deutschland unerwünscht: Hermann Gräbe. Dokumentarfilm. Drehbuch: Wolfgang Heuer. Regie: Dietrich Schubert. Deutschland 2000.
Ausstellung „… und laut zu sagen: Nein.“ U.a. wird Hermann Friedrich Gräbe vorgestellt. Die Ausstellung des Vereins Max-Leven-Zentrum Solingen e.V., wird bis auf weiteres im Zentrum für verfolgte Künste
Nürnberger Prozesse, 26. Juli1946, 187. Tag: Chefankläger Sir Hartley Shawcross zitiert in seinem Schlussplädoyer ausführlich Hermann Friedrich Gräbes eidesstattliche Versicherung vor dem Kriegsverbrechertribunal. Quelle: Robert H. Jackson Center. Zu sehen auf YouTube in englischer Sprache.
Die Organisation Todt (OT) war eine vom NS-Regime 1938 gegründete Bauorganisation unter der Leitung von Fritz Todt. Sie plante und baute militärische Infrastruktur wie Autobahnen, Bunker und Verteidigungsanlagen. Im Zweiten Weltkrieg setzte die OT hunderttausende Zwangsarbeiter, Kriegsgefangene und KZ-Häftlinge ein – oft unter lebensbedrohlichen Bedingungen, etwa beim Bau des Westwalls, des Atlantikwalls oder von unterirdischen Waffenfabriken.
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