Hoffnungsträger

Hermann Friedrich Gräbe
19. Juni 1900

17. April 1986

PORTRAIT

Er konnte sich nicht damit abfinden, stummer Beobachter zu sein.

Hermann Friedrich Gräbe war Bauingenieur bei einer Solinger Firma, die ab 1941 im Auftrag der Organisation Todt Bauprojekte im besetzten Gebiet der Ukraine durchführte. Tausende jüdische Zwangsarbeiter wurden für diese Arbeiten eingesetzt.
19. Juni 1900

17. April 1986
Gräfrath, heute Solingen

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San Francisco

Nachdem ich solche Sachen gesehen hatte, gab es für mich keine andere Wahl, als noch härter zu arbeiten, um die Juden, die zu mir kamen, zu retten. Man kann nicht so viel Blutvergießen erleben und davon unberührt bleiben. Ich musste etwas unternehmen. Ich musste so viele Menschen beschützen, wie ich konnte.

Nachdem ich solche Sachen gesehen hatte, gab es für mich keine andere Wahl, als noch härter zu arbeiten, um die Juden, die zu mir kamen, zu retten. Man kann nicht so viel Blutvergießen erleben und davon unberührt bleiben. Ich musste etwas unternehmen. Ich musste so viele Menschen beschützen, wie ich konnte.

Hermann Friedrich Gräbe war Bauingenieur bei einer Solinger Firma, die ab 1941 im Auftrag der Organisation Todt Bauprojekte im besetzten Gebiet der Ukraine durchführte. Tausende jüdische Zwangsarbeiter wurden für diese Arbeiten eingesetzt.

Gräbe wurde Zeuge von Verfolgungen, Misshandlungen und Erschießungen. Statt wegzusehen, setze er sich immer wieder für die jüdischen Arbeiter seiner Firma ein. Im Sommer 1942 rettete er 150 Menschen aus den Ghettos von Ostrog, Mizocz und Zdolbunow, als er von einer bevorstehenden Mordaktion in Rowne erfuhr. Mit einem offiziell ausgestellten „Schutzbrief“ brachte er sie rechtzeitig in Sicherheit.

Als das Ghetto Zdolbunow wenig später selbst geräumt wurde, beschaffte Gräbe gefälschte „arische“ Papiere für seine verbliebenen Arbeiter und ihre Familien. Auf eigene Kosten richtete er eine Scheinfirma in Poltawa ein – einzig mit dem Ziel, ihnen dort ein Versteck zu bieten.

Im Laufe der Zeit erweckte Gräbes unprofitable Arbeitsweisen das Misstrauen seiner Vorgesetzten in Solingen, die ihn wegen angeblicher Veruntreuung vor Gericht stellen wollten. Doch bevor es zum Verfahren kam, floh Gräbe mit rund zwanzig jüdischen Mitarbeitenden nach Warschau und von dort ins Rheinland. Im September 1944 lief er mit seinen Schützlingen zu den Amerikanern über.

Nach dem Krieg arbeitete Gräbe eng mit den US-Behörden zusammen, um NS-Verbrechen aufzuklären. Er half bei der Vorbereitung der Nürnberger Anklageschriften wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die von den Deutschen in Wolhynien begangen wurden – und sagte als Zeuge über die Massenerschießungen in Wolhynien aus – darunter über ein Massaker am 5. Oktober 1942, das er selbst miterlebt hatte. 

Aufgrund wiederholter Drohungen wanderte Gräbe 1948 mit seiner Familie in die USA aus. Doch selbst dort hörte er nicht auf, sich mit der deutschen Nachkriegsgesellschaft zu beschäftigen. Er setzte sich weiter für die Strafverfolgung von NS-Tätern ein – und wurde in einem Land, das sich schnell dem Wiederaufbau zuwandte, zum unerwünschten Störenfried, der in Deutschland erst viele Jahre nach seinem Tod 1986 Anerkennung gefunden hat.

Quelle: Yad Vashem

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