Hoffnungsträger

Emil Mangelsdorff
11. Apr. 1925

21. Jan. 2022

Steckbrief

Störenfriede – durch sie und mit ihnen bleiben wir lebendig.

Die ersten Takte von Louis Armstrong ließen Emil Mangelsdorffs Herz schneller schlagen. Er war elektrisiert. Diese Musik, dieser Rhythmus – sie fühlte sich an wie Freiheit. Sofort wusste er, dass er Jazz spielen wollte. Doch im nationalsozialistischen Deutschland war Swing und Jazz verboten. Sie galten als „undeutsch“, „entartet“, unkontrollierbar. Das hielt Emil nicht auf.

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11. Apr. 1925

21. Jan. 2022
Frankfurt am Main

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Frankfurt am Main

Der Jazz ist eine Musik, die Freiheit darstellt.

Der Jazz ist eine Musik, die Freiheit darstellt.

Die ersten Takte von Louis Armstrong ließen Emil Mangelsdorffs Herz schneller schlagen. Er war elektrisiert. Diese Musik, dieser Rhythmus – sie fühlte sich an wie Freiheit. Sofort wusste er, dass er Jazz spielen wollte. Doch im nationalsozialistischen Deutschland war Swing und Jazz verboten. Sie galten als „undeutsch“, „entartet“, unkontrollierbar. Das hielt Emil nicht auf. Er lernte Akkordeon, wechselte später zu Klarinette und Saxofon. Mit seiner Frankfurter Hotclub Combo brachte er den verbotenen Jazz auf die Bühne. Tanzverrückte Jugendliche standen Schlange, doch jeder Auftritt konnte verraten werden. Die Gestapo und der Streifendienst der Hitler-Jugend lauerten überall. Trotzdem spielten sie weiter – auch in der Rokoko-Bar im Hotel Kyffhäuser in Frankfurt.

„Mir ging es um den Jazz, den ich liebte, aber auch um ein Zeichen gegen die Nazis“, erinnerte sich Emil später. Sein Vater war überzeugter Sozialdemokrat, und er selbst weigerte sich, an den Veranstaltungen der Hitler-Jugend teilzunehmen. Doch sein Widerstand blieb nicht unbemerkt. Emil stand unter Beobachtung. Er wurde kontrolliert, schikaniert und musste sich mehrfach die Haare schneiden lassen – doch er ließ sie stets nachwachsen. Im April 1942 dann der große Schock: Emil wurde wegen Wehrkraftzersetzung verhaftet. Eine Anschuldigung, die zur Todesstrafe führen konnte. Der Grund: Eine abfällige Bemerkung über den Einberufungsbefehl eines Freundes, die seine besorgte Mutter denunziert hatte. Zwanzig Tage saß er in Untersuchungshaft. Doch am 20. April, Hitlers Geburtstag, kam die überraschende Entlassung. Später sagte Emil, die Frankfurter Gestapo sei weniger rigoros gewesen – vielleicht rettete ihm das das Leben. Doch die Gefahr war nicht vorüber. 1943, mit 18 Jahren, wurde Emil an die Ostfront geschickt. Im Winter 1945 kämpfte er in Ostpreußen, dann geriet er in sowjetische Kriegsgefangenschaft.

1949 kehrte Emil Mangelsdorff nach Frankfurt zurück – gezeichnet von den Jahren der Gefangenschaft, doch ungebrochenen in seiner Leidenschaft für Jazz. Die Musik, die ihn in seiner Jugend geprägt hatte, ließ ihn nicht los. Kaum zurück, griff er wieder zum Saxofon. Er spielte in lokalen Bands, dann mit seinem jüngeren Bruder Albert Mangelsdorff, der als Posaunist weltbekannt wurde. Bald war er Teil der deutschen und internationalen Jazzszene, prägte mit dem Mangelsdorff Quartett den deutschen Jazz und spielte im Jazz-Ensemble des Hessischen Rundfunks.

Bis ins hohe Alter stand Emil auf der Bühne. Am 1. November 2021 trat er noch einmal in seiner eigenen Konzertreihe im Frankfurter Holzhausenschlösschen auf. Doch er war nicht nur Musiker, sondern auch Zeitzeuge. Jahrzehntelang berichtete er in Interviews, Schulen und Kultureinrichtungen über seine Erlebnisse als Swing-Jugendlicher. Denn für ihn war klar: Musik kann Widerstand sein.

Quelle: Jonas Lohse, Jazz Initiative Frankfurt: Nachruf auf Emil Mangelsdorff. Jonas Kontrabass-Blog, 23. Januar 2022.

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