Hoffnungsträger

Offenbacher Schlangenbande

Bodenrelief

Störenfriede – sie öffnen uns die Augen.

So wurden sie gesehen – und so wollten sie gesehen werden: Jugendliche, die sich nicht einfügen wollten in das System der Gleichschaltung. Während Gleichaltrige in Uniform marschierten und nationalsozialistische Parolen sangen, entschieden sich einige Jugendliche in Offenbach für einen anderen Weg – mutig, gefährlich, und ganz bewusst.

Personen:
Gretel Maraldo

Störenfriede – sie öffnen uns die Augen.
So wurden sie gesehen – und so wollten sie gesehen werden: Jugendliche, die sich nicht einfügen wollten in das System der Gleichschaltung. Während Gleichaltrige in Uniform marschierten und nationalsozialistische Parolen sangen, entschieden sich einige Jugendliche in Offenbach für einen anderen Weg – mutig, gefährlich, und ganz bewusst.

Sie nannten sich die Schlangenbande.

Ihre Haare trugen sie lang, ihre Kleidung war bunt und unangepasst. Statt Appelle und HJ-Dienst zog es sie in die Natur – auf Fahrradtouren, Wanderungen, abends in Parks oder an abgelegene Plätze. Ihr Auftreten war provokant in einer Zeit, in der Nonkonformität als Bedrohung galt. Und das blieb nicht unbemerkt.

Der HJ-Streifendienst jagte sie, zwang sie zu Haarschnitten im NS-Stil. Doch sie ließen sich nicht brechen. Fred Horz, einer der Jugendlichen, erinnert sich:

„Wir ließen uns die Maßnahmen der HJ-Führer nicht gefallen und beschlossen, Gegenmaßnahmen zu ergreifen […] Wir beschafften uns Pistolen und schossen abends die Zimmerlampen in Nazi-Wohnungen aus.“

Was als jugendliche Auflehnung begann, wurde zu echtem Widerstand.

Im Januar 1944 werden mehrere Mitglieder verhaftet – wegen „Landfriedensbruchs“ und „Mitgliedschaft in einer kriminellen Jugendbande“. Im Gestapo-Gefängnis in Darmstadt verbringen sie Monate, werden verhört, geschlagen, eingeschüchtert. Im Juni kommen sie frei – doch die Gefahr bleibt.

Als Ende 1944 neue Verhaftungen drohen, bleibt nur die Flucht. Im Januar 1945 machen sich Gretel Maraldo, Werner Diehl, Fred Horz, Robert Heinrich Appel und Werner Kaltmaier auf den Weg in die Schweiz. Doch ihr Plan scheitert: In Villingen werden sie von einer Wehrmachtsstreife aufgegriffen. Die Gestapo bringt sie nach Bensheim – die Verhöre beginnen erneut.

Dann überschlagen sich die Ereignisse. Vier der Jugendlichen sollen nach Bayern deportiert werden. Doch die Alliierten rücken näher, das Regime verliert die Kontrolle. Diehl wird aus der Zelle geholt, zwei Schüsse fallen. Er überlebt – schwer verletzt. Die anderen drei nutzen auf dem Marsch nach Groß-Umstadt die Gelegenheit zur Flucht – und erreichen schließlich Offenbach.

Gretel Maraldo bleibt in Bensheim. Am 24. März 1945 wird sie mit anderen Gefangenen zum Kirchberg getrieben. Sie weiß, was das bedeutet. Sie flieht. Doch sie wird entdeckt – und erschossen.

Erinnerung an Zivilcourage

Gretels Geschichte steht für viele, die sich nicht fügen wollten. Die „Schlangenbande“ war kein politischer Verband, kein organisierter Widerstand im klassischen Sinne – und gerade deshalb so bemerkenswert. Ihr Widerstand war persönlich, unmittelbar, mutig. Sie riskierten alles, um anders zu leben.

Ihr Handeln ist ein eindrückliches Beispiel für Zivilcourage in einer Zeit, in der Widerspruch tödlich enden konnte.

Ardi Goldman Kunst-
und Kulturstiftung gGmbH

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