Rosenstraßen-Protest
Hoffnungsträger
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Bodenrelief

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Gebt unsere Männer frei!
Personen:
Gisela Mießner
Am 27./28. Februar 1943 werden im Rahmen der „Fabrik-Aktion“ etwa 11.000 zwangsweise in der Rüstungsindustrie beschäftigte Jüdinnen und Juden festgenommen. Ein Gebäude in der Rosenstraße dient während dieser Aktion als eines von mehreren Sammellagern. Die Jüdinnen und Juden sollen in das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau und das Ghetto Theresienstadt deportiert werden.
Im ehemaligen Wohlfahrtsamt der Berliner Jüdischen Gemeinde in der Rosenstraße 2–4 werden mehr als 1.700 Juden inhaftiert. Die meisten der dort Festgehaltenen sind mit nichtjüdischen Frauen verheiratet.
Die Nachricht von der Inhaftierung der jüdischen Männer in der Rosenstraße verbreitet sich unter den Angehörigen schnell. Vor dem Gebäude versammeln sich mehrere hundert Frauen und protestieren für die Freilassung ihrer Angehörigen. Die meisten Männer kommen bis Mitte März 1943 frei. Sie müssen jedoch weiterhin unter extremen Bedingungen Zwangsarbeit leisten.
Die an dem Protest beteiligten Frauen werden nicht bestraft.
© Gedenkstätte Deutscher Widerstand. Katalog zu Ausstellung Frauen im Widerstand gegen den Nationalsozialismus, S. 81.
Zum Gedenken an die Ereignisse wurden in der Berliner Rosenstraße eine Gedenk-Litfaßsäule und eine
mehrteilige Skulptur Der Block der Frauen“ von Ingeborg Hunzinger aufgestellt. Einweihung 1995.
Gedenktafel am Haus Rosenstraße 2.
Der Augenzeugenbericht von Charlotte Freudenthal über die Rosenstraße-Proteste 1943 ist ein eindrucksvolles Zeugnis eines außergewöhnlichen Aktes des zivilen Widerstands. Hier ein Auszug aus ihrer Rede vom 3. Juni 1990 auf einer Veranstaltung der Volks-Universität zum Thema „Frauen im Widerstand gegen den deutschen Faschismus“:
„(…) Am 27. Februar 1943 ging mein jüdischer Mann zur Polizei, um eine Genehmigung für den Arbeitsweg zu beantragen. Doch stattdessen wurde er verhaftet und in das Sammellager in der Rosenstraße gebracht – es war der Tag der „Fabrik-Aktion“, mit der Goebbels Berlin „judenfrei“ machen wollte.
Als mein Mann nicht nach Hause kam, suchte ich ihn und fand mich bald vor dem Gebäude in der Rosenstraße wieder – gemeinsam mit vielen anderen Frauen, die verzweifelt nach ihren Angehörigen riefen. Trotz der SS-Wachen wichen wir nicht zurück, sondern kamen Tag für Tag wieder und schrien lautstark: „Wir wollen unsere Männer wiederhaben!“ Unsere Rufe hallten durch die Straßen, wurden immer lauter und verzweifelter. Schließlich stellte die SS Maschinengewehre auf und drohte zu schießen. Einige flohen, doch die meisten blieben. Ich wurde nach vorne gedrängt, direkt vor eines der Gewehre. In diesem Moment dachte ich nur: Jetzt kann ich meinen Mann nicht mehr retten, jetzt ist alles aus. Es war grauenhaft, wie laut es war, wie laut wir geschrien haben. Doch plötzlich räumten die SS die Waffen ab – und es wurde still.
Am 7. März erhielt ich die Nachricht, dass mein Mann freigelassen würde. Und tatsächlich: Er kehrte zurück. Gezeichnet, aber lebendig. Wir haben die 12 Jahre (NS-Zeit) durchgestanden. Es waren schreckliche Jahre. Das gebe ich zu. Aber ich hätte meinen Mann niemals verlassen, niemals.“
Charlotte Freudenthal – Vortrag vom 3. Juni 1990 auf einer Veranstaltung der Volks-Universität zum Thema „Frauen im Widerstand gegen den deutschen Faschismus“. Quelle: Jochheim, Gernot: Frauenprotest in der Rosenstraße Berlin 1943. Berichte – Dokumente – Hintergründe. S. 64-65. Berlin 2002.
Tagebucheintrag vom 07. März 1943 von Ruth Andreas-Friedrich (Widerstandsgruppe Onkel Emil) zum Rosenstraßenprotest:
“ (…) Die jüdischen Partner rassisch gemischter Ehen. Abgesondert von den übrigen, hat man sie vergangenen Sonntag in ein Sammellager geschafft. Zur Prüfung und endgültigen Beschließung. Noch am selben Tage machten sich die Frauen jener Männer auf, ihre verhafteten Ehegefährten zu suchen. Sechstausend nichtjüdische Frauen drängten sich in der Rosenstraße, vor den Pforten des Gebäudes, in dem man die „Arischversippten“ gefangen hielt. Sechstausend Frauen riefen nach ihren Männern. Schrien nach ihren Männern. Standen wie eine Mauer. Stunde um Stunde, Nacht und Tag. (…).“
Ruth Andreas-Friedrich: Der Schattenmann. Tagebuchaufzeichnungen 1938–1948. Berlin 2000.
Wolf Gruner: Widerstand in der Rosenstraße. Die Fabrik-Aktion und die Verfolgung der „Mischehen“ 1943. Frankfurt am Main 2005.
Antonia Leugers (Hrsg.): Berlin: Rosenstraße 2–4. Protest in der NS-Diktatur. Neue Forschungen zum Frauenprotest in der Rosenstraße 1943. Annweiler 2005.
Nathan Stoltzfus: Widerstand des Herzens. Der Aufstand der Berliner Frauen in der Rosenstraße 1943. München 1999.
Vera Friedländer: Späte Notizen. Verlag Neues Leben, Berlin (DDR) 1980. Neu aufgelegt als: Man kann nicht eine halbe Jüdin sein. Kiel 1993.
Gernot Jochheim: Frauenprotest in der Rosenstraße Berlin 1943. Berichte, Dokumente, Hintergründe. Hentrich & Hentrich Verlag, Berlin 2002.
Nina Schröder: Hitlers unbeugsame Gegnerinnen. München 1997.
Protest in der Rosenstraße. Augenzeugenbericht von Gad Beck, der selbst in der Rosenstraße inhaftiert war. Yad Vashem ∙ YouTube 02.03.2011.
Rosenstraße. Regie: Margarethe von Trotta. 2003.
Eine Mischehe in der Rosenstraße. WDR-Radio Mediathek 2025.
Am 27. Februar 1943 fand im Deutschen Reich die „Fabrik-Aktion“ statt, bei der Tausende jüdische Zwangsarbeiter an ihrer Arbeitsstätte verhaftet und anschließend nach Auschwitz deportiert wurden.
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