Schwert Hans
Hoffnungsträger
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PORTRAIT

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Seien wir vorsichtig! Die Gefahr besteht noch heute.
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„… vor dem Feind keine Aussagen zu machen, über die Organisation, ihre Arbeit und die Genossen. Das war für mich die wichtigste Sache.“
Hans Schwert
„… vor dem Feind keine Aussagen zu machen, über die Organisation, ihre Arbeit und die Genossen. Das war für mich die wichtigste Sache.“
Hans Schwert wächst bei seinen Großeltern und seiner Tante im fränkischen Pfaffendorf auf. Als er mit 14 Jahren die Volksschule beendet, fehlt der Familie das Geld für eine weiterführende Schule und er macht er eine Maurerlehre. 1927 zieht Hans Schwert nach Frankfurt am Main. Dort arbeitet er am Bau der Ernst-May-Siedlung im Stadtteil Römerstadt und tritt der Baugewerkschaft bei. Zwei Jahre später heiratet er Amalie.
Doch die Weltwirtschaftskrise trifft das junge Paar hart. Schwert wird arbeitslos. In dieser Zeit beginnt er, sich politisch zu engagieren. Er tritt in die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) ein, besucht die Marxistische Arbeiterschule und schließt sich dem gewerkschaftlichen Widerstand an.
Als die Nationalsozialisten 1933 an die Macht kommen, werden die Gewerkschaften zerschlagen. Auch in Frankfurt stürmen SA-Leute am 2. Mai das Gewerkschaftshaus. Für Hans Schwert ist klar: Er macht weiter. Im Untergrund organisiert er illegale Gewerkschaftsgruppen – in den Adlerwerken, bei Tewes und in der Eisenbahnerwerkstatt. Ziel ist es, Arbeiter zu informieren, Zusammenhalt zu stärken und Widerstand zu fördern.
1936 wird Schwert verraten. Die Gestapo nimmt ihn fest. Im Gefängnis „Klapperfeld“ wird er verhört und misshandelt. Er schweigt – und schützt damit seine Mitstreiter. Das Urteil lautet: zehn Jahre Zuchthaus wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“. Schwert wird durch 14 Gefängnisse und Lager geschleppt, verbringt fünf Jahre in Einzelhaft. Doch er überlebt. Im Frühjahr 1945, nach neun Jahren Haft, wird er in Ulm von amerikanischen Truppen befreit.
Zurück in Frankfurt nimmt er eine Stelle bei der Stadtverwaltung an. Er arbeitet im Versicherungsamt, wird Vorsitzender des Personalrats und bleibt es bis zur Pensionierung. Doch sein eigentliches Anliegen ist: das Erinnern. Hans Schwert wird zu einer der prägenden Stimmen der antifaschistischen Aufklärung in Frankfurt. In Schulen, bei Veranstaltungen, auf Stadtführungen berichtet er als Zeitzeuge – klar, eindringlich, ohne Hass. Vor dem ehemaligen Gefängnis Klapperfeld hält er oft inne. Doch er geht nie wieder hinein.
Auch nach der Pensionierung bleibt er politisch aktiv. Er kämpft gegen das Berufsverbot, das viele Mitglieder der DKP trifft – auch seine Tochter Doris. Sie darf nach dem Referendariat nicht als Lehrerin arbeiten. Schwert schweigt nicht – auch jetzt nicht. Er ist ein politischer Mensch – aber nicht nur. Er liebt das Leben, das Singen im Chor, ein gutes Glas Wein, bodenständige Küche. Was ihn immer antreibt, ist der Einsatz gegen soziale Ungerechtigkeit. Und das bleibt so – bis ins hohe Alter.
Am 7. Juli 2007, mit 99 Jahren, steht er auf dem Römerberg. Dort demonstriert er gegen einen Aufmarsch von Neonazis – klar, entschieden, aufrecht. Am 2. Mai 2013, mit 105 Jahren, spricht er im Frankfurter Gewerkschaftshaus – ohne Mikrofon, mit fester Stimme. Er erinnert an die Besetzung der Gewerkschaftszentrale durch die Nationalsozialisten. Zehn Minuten Applaus folgen.
Wenige Tage später stirbt Hans Schwert – am 21. Mai 2013.
Er hinterlässt Spuren. Und eine Geschichte, die nicht vergessen wird.
Quelle: Doris Fisch: Biografie von Hans Schwert. Bibliothek der Generationen im Historischen Museum Frankfurt am Main.
Die Stadt Frankfurt ehrte Hans Schwert mit der Johanna-Kirchner-Medaille.
„In Frankfurt am Main waren es über 800 Menschen, die sich den Nazis im organisierten Widerstand entgegenstellten und dafür in Lager, in KZs und Zuchthäuser kamen oder ermordet wurden. Diese Menschen haben es verdient, dass man ihre Biografie kennenlernt und vielleicht von ihnen lernt. Dass sie zu wenige waren, war nicht ihre Schuld.“
Doris Fisch, im Mai 2017
Interview mit Hans Schwert: Arbeitskreis Geschichte der Initiative »Faites votre jeu!« am 1. Februar 2009, online.
Brief an Konfirmanden im Jahr 2012
Jahrzehntelang war Hans Schwert als „Zeitzeuge“ in Schulen, bei Stadtteilprojekten und auf Vermittlung des Stadtschulpfarramts bei Konfirmanden aktiv. Als er es nicht mehr konnte, diktierte er einen Brief an die Konfirmanden:
Liebe Konfirmanden, liebe Anwesende,
Obwohl ich heute selbst nicht anwesend sein kann, möchte ich ein paar Worte an eure Zusammenkunft richten.
Ich lebe jetzt in meinem 105. Lebensjahr, davon war ich 10 Jahre – im Alter von 29 bis 39 – in faschistischen Zuchthäusern. Ein ganzes Jahr war ich in den Händen der GESTAPO im Untersuchungsgefängnis, gar nicht weit von hier, im sogenannten „Klapperfeld“, dem Polizeigefängnis in Frankfurt. Warum kam ich in diese Lage? Als Hitler mit der Hilfe des Großkapitals an die Macht kam, war das damit nicht beendet. Denn Hitler, das bedeutete nicht nur Gewalt und Terror nach innen, nein, das bedeutete auch Krieg gegen andere Völker, denn er brüstete sich ja mit seinen Zielen.
Mit einigen Menschen, die meine Meinung zu den politischen Zuständen teilten – das war in meinem Fall die Kommunistische Partei –, leisteten wir heftigen Widerstand vom ersten Tag an. Wir verfassten und druckten Flugblätter, in denen wir die Menschen aufklärten über diese Gefahren, wir verteilten diese Flugblätter, wir empfingen Gäste aus dem Ausland, Broschüren und legten sie zwischen Zeitungsblätter, wir empfingen Gäste aus dem Ausland, die wir heimlich unterbrachten, und die uns berichten konnten, wie die Lage in Deutschland in anderen Ländern gesehen wurde.
Eines Tages stand die Polizei vor meiner Tür – ich wurde verhaftet und zum „Klapperfeld“ gebracht. Jemand aus meinem Umkreis hatte mich verraten.
Ich kann euch sagen, ihr jungen Leute, diese Zeit bei der GESTAPO war die schlimmste überhaupt. Noch während meiner Verhaftung sofort in eines der Vernehmungszimmer geführt und dort verhört – ganz so, wie es ihr aus manchem Film kennt, mit grellem Licht mitten ins Gesicht, der ganze sonstige Raum lag im Dunkeln. Ich wurde ins Gesicht geschlagen, man konfrontierte mich mit angeblichen Geständnissen anderer Mitgefangener, die nur meine Arbeit etwas abgeschwächt hatten.
Ich habe nichts verraten und nichts gestanden – das war für mich eine Frage meiner ganz persönlichen Ehre und der Achtung vor mir selbst. Und es war auch ein Glück, dass es einige Dinge gab, die nur ich allein wusste. So konnte sicher das Leben eines Widerstandskämpfers aus der Schweiz und einer alten Frau im Frankfurter Stadtteil Gallus gerettet werden, da nur ich allein wusste, welche Hilfestellungen diese beiden Menschen uns gegeben hatten.
Ich wurde schwer misshandelt, im Keller dieses Polizeigefängnisses brutal zusammengeschlagen, wenn ich aus dem Keller wieder in meine Zelle gebracht wurde, war mein Körper übersät mit schwarzen und blauen Flecken. So war ich ein ganzes Jahr an diesem Ort. Dann wurde ich nach Kassel überstellt, zum Gericht. Das ging so drei Mal, immer wieder nach Frankfurt und wieder nach Kassel, bis schließlich das Urteil gesprochen wurde: wegen Landes- und Hochverrat 10 Jahre Zuchthaus, die Untersuchungshaft wurde nicht angerechnet.
So, dann kam ich „auf Transport“, wie man das genannt hat. Zuerst ins Zuchthaus Freilendez, dort blieb ich bis Anfang 1938, dann nach Butzbach, von dort nach Rockenberg, von dort wieder nach Butzbach, und in das Lager nach Dieburg-Rollwald. Dass die Faschisten keinen Unterschied machten in der Brutalität der Behandlung ihrer Gegner, das sieht man daran, dass ich mit manchen anderen Widerstandskämpfern in der Zeit meiner Haft zusammensaß, so ob das Christen, Juden, Zeugen Jehovas, Sozialdemokraten, Liberale oder andere waren.
Wenn es so besser gewesen wäre, hätten wir uns alle vorher zusammengeschlossen und dem Faschismus entschlossener entgegentreten, als es leider der Fall war.
Im Lager Dieburg-Rollwald z. B. lag ich mit Fritz Erler, dem später bekannten Sozialdemokraten, auf einer Baracke. Nach Kriegsausbruch 1939 wurden die politischen Gefangenen aus dem Lager wieder in Zuchthäuser gebracht. Ich kam über Darmstadt nach Ludwigsburg. Dort wurde ich zu einem Aufräumungskommando nach Heilbronn abgestellt, weil dort wegen der vorhandenen Industrie fürchterliche Bombenschäden angerichtet worden waren. Es lagen sehr viele Tote in den Luftschutzkellern, die von unseren Wachtleuten gezeigt wurden – der Anblick war grauenhaft.
So war ich insgesamt in 14 Zuchthäusern. Das war meine Zeit im faschistischen Deutschland.
Es ist ein großer Irrtum, zu sagen, Hitler war an all diesen schrecklichen Dingen schuld. Natürlich war er ein Verbrecher, aber er war nur die Galionsfigur der deutschen Kapitalisten.
Sie wollten doch an die Rohstoffe anderer Völker, sie wollten sich territorial ausweiten, sie wollten ihre Profite steigern und das Volk auspeitschen bis es auf den letzten Blutstropfen. Da kann Hitler nur verlieren. In der Nacht zum 30. Januar 1933 waren sie in der Villa Schröder in Köln zusammengekommen und hatten ihm und seinen willigen Gehilfen diktiert, wie und wo die Faschisten zu agieren hatten. Und alles endete dann in dieser Katastrophe, die zwölf lange Jahre dauerte.
Was ich Euch heute zu sagen hätte? Ich sage Euch: die Gefahr ist nicht vorüber. Die Kapitalisten sind nicht mehr die gleichen, aber ihre Interessen sind im Kern gleichgeblieben, und es gibt immer noch alte und es gibt neue Nazis. Die Welt ist im Umbruch – das sieht man an den afrikanischen und arabischen Ländern, viele Länder sind pleite, aber die Banken und Konzerne nicht. Wir müssen zu einem anderen System des Zusammenlebens kommen, sonst gibt es eine neue Katastrophe.
Seid also wachsam, lasst Euch nicht in die dunkle Ecke der Vergangenheit ziehen, sondern setzt Euch dafür ein, frei zu leben und Eure Zukunft zu gestalten – das wünsche ich Euch von ganzem Herzen!
Hans Schwert
Quelle: Doris Fisch: Hans Schwert – Bibliothek der Generationen im Historischen Museum Frankfurt am Main. Brief an die Konfirmanden, S. 67-69.
Die Bibliothek der Generationen ist ein künstlerisches Erinnerungsprojekt, das von 200 Autoren mit Leben gefüllt wird. Eine von ihnen ist Doris Fisch, die mit viel Liebe und Sorgfalt ein umfangreiches Buch über ihren Vater Hans Schwert und sein Leben zusammengestellt hat – mit Briefen, Dokumenten und zahlreichen weiteren Materialien. Die Bibliothek der Generationen wird im Historischen Museum Frankfurt am Main bewahrt und gepflegt.
Ardi Goldman Kunst-
und Kulturstiftung gGmbH
60386 Frankfurt