Stromberger Maria
Hoffnungsträger
–
PORTRAIT

- zum Standort navigieren
Ich will sehen, wie es wirklich ist. Vielleicht kann ich etwas Gutes tun.
–
·
Meinen Reichtum an Liebe habe ich in Auschwitz verstreut.
Maria Stromberger
Meinen Reichtum an Liebe habe ich in Auschwitz verstreut.
Maria Stromberger wird 1898 in Metnitz geboren. Über ein Jahrzehnt arbeitet sie als Krankenschwester in Bregenz. Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs wird sie in ein Lazarett nach Kärnten versetzt, wo sie erste Berichte über die Gräueltaten in den Konzentrationslagern hört.
Sie meldet sich freiwillig für den Dienst in Auschwitz und beginnt am 1. Oktober 1942 als Oberschwester im SS-Revier. Nach und nach gewinnt sie das Vertrauen der Häftlinge. Heimlich versorgt sie sie mit lebensrettenden Medikamenten und Nahrungsmitteln, versteckt Kranke und pflegt sie. Über ihren Mitarbeiter, den polnischen Häftling Edward Pys, knüpft sie Kontakt zur „Kampfgruppe Auschwitz“. Für die Widerstandsgruppe schmuggelt sie Briefe und Berichte über die Massenvernichtung aus dem Lager und bringt Post, Waffen und Munition hinein. In einer ausgehöhlten Kleiderbürste, die ihr Hermann Langbein, ein Mitglied der Gruppe, übergibt, schleust sie geheime Informationen nach Wien. Mehrmals steht sie kurz vor der Entdeckung. Doch mit viel Glück – und weil ihr Vorgesetzter, der SS-Standortarzt Eduard Wirths, sie vor dem Zugriff der politischen Abteilung im Lager schützt und in ein Sanatorium einweist – überlebt sie.
Nach Kriegsende kehrt lebt Maria Stromberger nach Bregenz zurück. 1946 wird von den französischen Besatzungsbehörden verhaftet und in ein Internierungslager für ehemalige Nationalsozialisten gebracht. Ihr wird vorgeworfen in Auschwitz Häftlinge getötet zu haben. Unter ihren Mithäftlingen ist sie verhasst. „Meinen Reichtum an Liebe habe ich in Auschwitz verstreut“, schreibt Maria Stromberger im Juli 1946 resigniert an Edward Pyś. Sie berichtet, sie sei „mitten unter Nazis, SS, Gestapo.“ Erst die Aussagen ehemaliger polnischer Häftlinge bewirken ihre Freilassung.
Nach Kriegsende kehrt lebt Maria Stromberger nach Bregenz zurück. 1946 wird von den französischen Besatzungsbehörden verhaftet und in ein Internierungslager für ehemalige Nationalsozialisten gebracht. Ihr wird vorgeworfen in Auschwitz Häftlinge getötet zu haben. Unter ihren Mithäftlingen ist sie verhasst. Im Juli 1946 schreibt resigniert an Edward Pyś. „Wissen Sie, ich bin mitten unter Nazis, SS, Gestapo!! Ich, als ihr größter Feind!“
Erst die Aussagen ehemaliger polnischer Häftlinge bewirken ihre Freilassung.
1947 reist sie nach Warschau und wird von Überlebenden mit großem Applaus begrüßt. Maria Stromberger sagt in Warschau als Zeugin gegen den ehemaligen Lagerkommandanten von Auschwitz Rudolf Höß aus – er wird zum Tode verurteilt.
Zurück in Bregenz lebt Stromberger zurückgezogen. In Österreich interessiert sich niemand ihre Erlebnisse in Auschwitz und sie bleibt lange über ihren Tod am 18. Mai 1957 hinaus fast unbekannt. Erst Jahrzehnte später wird sie als der „Engel von Auschwitz“ gewürdigt.
Quelle: Harald Walser: „Der Engel von Auschwitz“. Zum Wirken der Krankenschwester Maria Stromberger, 1988. Malingesellschaft.at Online.
Der KZ-Verband (Verein ehemaliger Häftlinge) ernannte Maria Stromberger 1955 zur Ehrenpräsidentin.
In Bregenz wurde ihr zu Ehren der Maria-Stromberger-Weg benannt.
Im Arkadenhof von Schloss Wernberg ist ihr eine Gedenktafel gewidmet mit einem Porträt, KZ-Abbildungen und der Aufschrift „Maria Stromberger 1898–1957. Zum Gedenken an den Engel von Auschwitz“.
Am 18. Oktober 2024 hat Bischof Josef Marketz in der Nähe der Ortschaft Flattnitz eine neue Gedenkstätte für Maria Stromberger, den „Engel von Auschwitz“, gesegnet.
Harald Walser: Ein Engel in der Hölle von Auschwitz. Das Leben der Krankenschwester Maria Stromberger, Wien 2021.
Dokumentarfilm: Maria Stromberger – Kann man nach Auschwitz noch glauben. Regie/ Buch: Anita Lackenberger, 2016.
Maria Stromberger. „Der Engel von Auschwitz“. 1995, dauerhaft abrufbar. ORF-Mediathek.
Auszug aus einem Brief, den Maria Stromberger am 20. Februar 1946 an den ehemaligen Auschwitzhäftling Edward Pyś geschrieben hat.
„(…) Was mich anbelangt, so bin ich wieder ganz gesund! Mein Herz streikt nicht mehr, und der Arm ist wieder voll beweglich. Gegenwärtig befinde ich mich in einem Internierungslager! Ich stehe im Verdacht, während meiner Tätigkeit in Auschwitz Häftlinge mit ‚Phenol’ behandelt zu haben. Lachen sie nicht, Edek. Es ist Ernst! Ich bin sehr froh, daß man mich nach ein paar Wochen Gefängnis hierhergebracht hat, die Behandlung ist durchaus menschlich, und ich kann mich in gewissen Grenzen frei bewegen und bin in Gottes freier Natur.
Ich habe es auch arbeitsmäßig sehr gut. Ich darf sogar Kaffee kochen (wenn ich einen habe)! (…) Josef bemüht sich bereits, mich herauszuholen, und es ist wohl nur mehr eine Frage der Zeit, meine Hände sind rein, Sie wissen ja, Edek, und Sie brauchen nicht traurig sein! Wissen Sie, ich bin mitten unter Nazis, SS, Gestapo!! Ich, als ihr größter Feind! Und muß ihre Redensarten täglich anhören über die Ungerechtigkeit‘, höre Klagen, was die Menschen jetzt mit ihnen tun. Dann stehen vor meinem geistigen Auge die Erlebnisse von Auschwitz!!
Ich verspüre den Geruch verbrannten Fleisches in der Nase, ich sehe die Elendszüge der einrückenden Kommandos mit den Toten hinterher, ich verspüre die würgende Angst, welche ich jeden Morgen um Euch gehabt habe, ehe ich Euch wieder gesund vor mir sah, und ich könnte diesen hier ins Gesicht schreien und blind auf sie losgehen. Das Tollste daran ist, daß ich noch still sein muß, sonst boykottieren sie mich noch. Aber auch diese Zeit wird vorübergehen, und ich werde wieder frei sein. Was ich dann beginne, weiß ich nicht. Ich fühle mich so leer und ausgeschöpft und habe keine Freude. Meinen Reichtum an Liebe habe ich, so scheint mir, in Auschwitz verstreut, meinen Zweck habe ich erfüllt, was soll ich noch mehr? Wissen Sie, es ist so schwer, ohne Illusionen weiterleben zu müssen, aber was soll ich tun?
Vielleicht gehe ich, wenn meine Sache geklärt ist in die Schweiz. Ich habe Sehnsucht nach Ruhe und Stille (…)“
Es sollte schließlich noch bis zum 23. September 1946 dauern, bis Maria Stromberger aus der Haft entlassen wurde.
Quelle: Harald Walser: Der Engel von Auschwitz. Zum Wirken der Krankenschwester Maria Stromberger.
Erschienen in: Montfort – Vierteljahresschrift für Geschichte und Gegenwart Vorarlbergs, Jg. 40, 1988,
Heft 1, S. 70-78.
Eduard Wirths war der leitende Standortarzt von Auschwitz und hatte die Aufsicht über die medizinischen Aktivitäten im Lager, einschließlich der berüchtigten Menschenversuche, die von Josef Mengele und anderen durchgeführt wurden. Er war direkt für die Selektion von Häftlingen verantwortlich, bei der entschieden wurde, wer zur Zwangsarbeit eingeteilt und wer direkt in den Gaskammern ermordet wurde.
Ardi Goldman Kunst-
und Kulturstiftung gGmbH
60386 Frankfurt