Der Kunstparcours

Andreas Slominski

GGG 1120, 2016

Metall, Kunststoff, Lack | 220 x 112 x 10 cm

Meine Arbeiten sind nicht nur gemein, sie sind auch sehr ehrlich, fast zu ehrlich. Ab und zu sind sie ein bißchen hinterlistig, eine gespannte Tierfalle ist auch etwas gefährlich. Meine Arbeiten sind schon ernst, aber auch lustig.

Andreas Slominski lebt und arbeitet in Berlin und Hamburg, DE.
*1959 in Meppen, DE

EDUCATION

Kunststudium Hochschule für Bildende Künste (HFBK), Hamburg

GRANTS, AWARDS, RECOGNITION

2013 Hannah-Höch-Preis, Berlin
2013 Lichtwarkpreis, Hamburg

Ein Blick hinter das Werk

Andreas Slominski, Spezialist für Fallen und Finten, Käfige und Köder, seziert das Alltägliche mit fast wissenschaftlicher Präzision. In den 80ern entwickelte der Künstler Tierfallen, die an minimalistische Kunstobjekte erinnern, oder präsentierte Garagentore wie abstrakte Gemälde und widmete sich weiteren Alltagsobjekten, wie dem Dixi-Klo.

Was sehen wir auf dem Union-Areal? Was GGG 1120 ist, als Ding, bedarf keiner Frage. Dass es sich dabei um ein Kunstwerk handelt, muss an dieser Stelle auch nicht weiter ausgeführt werden. Mit GGG 1120 präsentiert der Künstler ein industriell gefertigtes, braun lackiertes Garagentor, das Teil einer Werkreihe ist, die sich auf Marcel Duchamps Readymades bezieht und die im Originalzustand gezeigt oder noch durch Schilder, Objekte oder Umbauten verfremdet werden. Die Objekte, aus dem funktionalen Kontext herausgelöst und in einen klassischen Metallrahmen erhoben, die sonst den Zugang zu einem privaten, verschlossenen Raum markieren, werden hier zur autonomen Tafel, zum vermeintlichen Bild. Doch was verrät uns diese Verschiebung, der Perspektivwechsel über uns selbst als Betrachtende? Welche Welt öffnet oder schließt sich?

Die gewählte Farbigkeit, ein dumpfes „Kackbraun“, erinnert an den schmutzigen Realismus der Alltagswelt, an Garagenflure, Einfahrten, an die gesättigte Biederkeit kleinbürgerlicher Wohnkultur. Braun als Farbe des Erdigen, des Bodens kann hier auch als Symbol für Trägheit, Besitzdenken, Enge gelesen werden und, in ihrer historischen Aufladung, als leiser Verweis auf den braunen Schatten des Nationalsozialismus. Die Farbwahl kann auf ein Kontinuum des Denkens rekurrieren, in dem das Gewöhnliche, das Spießige und das politisch Gefährliche ineinandergreifen. Das Garagentor wird so zum Sinnbild einer gesellschaftlichen Haltung: des Abgrenzens, des Bewahrens, des Eingeschlossenseins in den eigenen Grenzen. Das banale Alltagsobjekt, als Symbol des Eigenheims und Besitzstands, wird zur Falle für unsere Erwartungen an Kunst. Indem der Künstler uns auf die Innenseite des Tores blicken lässt, das, was man normalerweise nicht sieht, verdreht Slominski die Zeichen: Das Kunstwerk weiß um die Erwartungen, die an es gestellt werden, und erfüllt sie nicht. Es bleibt verschlossen, gleichsam unzugänglich. Die Betrachtenden stehen sprichwörtlich vor verschlossenen Toren. Und gerade darin liegt der Reiz: in der Erkenntnis, dass der ideelle Mehrwert, das Erzählen, das Denken, in uns selbst entsteht.

Gleichzeitig spielt Slominski mit der Ästhetik der Konzeptkunst und den Ideen von Marcel Duchamp. Wie ein Readymade verweigert GGG 1120 den traditionellen Anspruch an handwerkliche oder ästhetische Erhabenheit und konfrontiert die Betrachtenden mit einem Objekt, das sie zu kennen glauben. Slominski agiert hier wie ein wissenschaftlicher Beobachter, ein Künstler-Fallensteller. Er baut keine Falle für Tiere, sondern für Gedanken. Das Werk ist eine Versuchsanordnung: Es lädt dazu ein, die eigenen Sehgewohnheiten und Bedeutungszuschreibungen zu prüfen. Wie sehr sind wir darauf trainiert, im vermeintlich Banalen nach „tieferem Sinn“ zu suchen? Wie leicht lassen wir uns verführen, aus Farbe, Form und Titel eine Geschichte zu spinnen? GGG 1120 ist sich dieser Mechanismen bewusst und führt sie mit feiner Ironie ad absurdum.

Das Werk GGG 1120 lässt die Betrachtenden in der Garage stehen, einem Zwischenraum zwischen Alltag und Kunst, Labor und Zuflucht. Hier kippt das Funktionale ins Symbolische: Das Tor wird zum Sinnbild des Eingeschlossenen, des Schutzraums, aber auch der ideologischen Enge, aus der man vielleicht nur durch ein anderes Sehen entkommen kann. So lässt sich GGG 1120 als eine präzise gebaute, zugleich aber hochgradig ambivalente Falle lesen, für Wahrnehmung, Bedeutung und Selbstgewissheit. Die kackbraune Fläche ist nicht nur Farbe, sondern Haltung: eine Mischung aus Ironie, Provokation und Analyse. Slominski hält uns den Spiegel vor und dieser Spiegel ist aus industriell gefertigtem Blech.

Über die Künstler:in

Der Künstler Andreas Slominski (*1959 in Meppen) studierte Kunst an der HFBK (Hochschule für bildende Künste) Hamburg. Nach einer Professur in Karlsruhe trat er 2004 an der HFBK Hamburg die Nachfolge von Franz Erhard Walther an. Während seine Arbeiten in den 1980er- und frühen 1990er-Jahren noch die Dimensionen kleinerer Skulpturen hatten, wurden seine Werke, z. B. die Tierfallen, später zu raumgreifenden Installationen. Slominski erhielt zahlreiche Auszeichnungen, u. a. den Karl-Ströher-Preis (1991), den Edwin-Scharff-Preis (1998), den Preis der Yokohama Triennale (2001) und den Niedersächsischen Kunstpreis (2004). Arbeiten des Malers und Objektkünstlers wurden weltweit in zahllosen Einzel- und Gruppenausstellungen präsentiert, 2024 widmete ihm das Museum Folkwang eine Einzelausstellung. Slominskis Werke befinden sich in Sammlungen wie der Sammlung Goetz, dem Israel Museum in Jerusalem oder der Fondazione Prada in Mailand.

Ardi Goldman Kunst-
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