Mia Vanity, 2024
Der Kunstparcours
Vanity, 2024
By following the handling instructions, you can safely use and maintain your knife for efficient and risk-free cutting.
EDUCATION
Erasmus exchange program, Villa Arson, Nizza, Frankreich
Foundation Diploma, Camberwell College of Arts, London, UK
GRANTS, AWARDS, RECOGNITION
2025: 3. Internationales Bildhauersymposium, Künstlerresidenz, Darmstadt, DE
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Ein Blick hinter das Werk
Ambivalenzen und die vielschichtigen Verstrickungen unserer gegenwärtigen Zeit manifestieren sich auf dem Union-Areal auf mannigfaltige Weise, wie auch bei Vanity. Der Titel selbst spielt auf doppelte Weise mit Bedeutungsebenen:
Zum einen verweist vanity auf Eitelkeit, Oberfläche, äußere Inszenierung. Zum anderen schwingt darin die kunsthistorische Vanitas-Thematik mit, die an Vergänglichkeit, Verletzlichkeit und die Suche nach Sinn erinnert. In diesem Spannungsfeld zwischen dem Profanen und dem Symbolischen entfaltet sich Julie Mias Werk als Reflexion über gesellschaftliche Dynamiken, Wahrnehmung und Verantwortung.
Kaum ein Gegenstand ist so eng mit der Kulturgeschichte der Menschheit verknüpft wie das Messer. In der Kunst, vor allem in der Gegenwart, fungiert es als hochgradig mit Bedeutungen aufgeladenes Symbol. Es steht häufig für Gewalt, sei es physisch, strukturell oder psychologisch, und verweist damit auf soziale und individuelle Verletzlichkeit. Als Instrument der Transformation kann es zerschneiden, öffnen oder neu ordnen und wird so zum Sinnbild für künstlerische Prozesse und gesellschaftlichen Wandel. Gleichzeitig symbolisiert das Messer Abgrenzung. Es markiert Territorien, schützt Identitäten, setzt Zeichen und Einschnitte in einer oft wirr scheinenden Welt.
Etliche Künstler und Künstlerinnen des 20. Jahrhunderts haben die Wunde, sei sie körperlich oder seelisch, zum Leitmotiv ihres Schaffens gemacht, so auch der deutsche Bildhauer Joseph Beuys. Angesichts der existenziellen Verletzungen durch Krieg, Vertreibung und die Notlage der Nachkriegszeit überrascht es nicht, dass die menschliche Wunde ein zentrales Thema der Nachkriegskunst wurde. Während das Heftpflaster als Wundverband in Bezug zum menschlichen Körper vertraut erscheint, wirkt es im Zusammenhang mit einem Gegenstand, etwa einem Messer, zunächst irritierend.
„Wenn man sich geschnitten hat, sollte man das Messer verbinden und nicht die Wunde“ – dieser paradoxe Aphorismus von Beuys wurde bewusst für die Union gewählt und konfrontiert uns mit genau dieser Irritation. Das Paradoxon löst sich auf, wenn man es als bildhafte Aufforderung liest, nicht nur Symptome zu behandeln, sondern die Ursachen. Doch selbst dann bleibt die Vorstellung einer blutenden Wunde und einer verbundenen Klinge noch eine provokative Metapher, die tiefer liegende Fragen nach Verantwortung, Handlung und Heilung aufwirft.
Vanity greift diese Dimension auf, ohne sie explizit zu intendieren oder zu illustrieren. Das Messer ist kein Werkzeug, das benutzt wurde, sondern erscheint hier als ikonisiertes Objekt, vergrößert, transformiert, entrückt. Das PETG-Relief, entstanden aus dem Wachsabdruck einer Küchenmesserverpackung, entzieht sich durch seine Form und Präsentation jeder funktionalen Verwendung. In seiner schimmernden Oberfläche, erzeugt durch Schichten aus weißem und klarem Autolack, erinnert es an Votivgaben, als Zeichen der Dankbarkeit oder Bitte, rituell und repräsentativ.
Obwohl weder Klinge noch Wunde sichtbar sind, liegt genau in dieser Leerstelle die Kraft des Werks. Vanity ist ein Impulsgeber. Ein Angebot zur Reflexion über Machtverhältnisse, Handlungsspielräume und den Blick hinter die glänzende Oberfläche.
Über die Künstler:in
Die Künstlerin Julie Mia (*1988 in Offenbach am Main) spielt mit Skaleneffekten – in auffallendem Kontrast zur Schnelllebigkeit der gegenwärtigen Epoche entstehen ihre Werke über einen Zeitraum von mehreren Jahren. Sie studierte am Chelsea College of Art in London bei Martin Newth, am Camberwell College of Arts in London sowie an der Villa Arson in Nizza bei Pascal Pinaud. Sie ist Trägerin des Clyde & Co Art Awards und seit 2017 Assistentin von Céline, Heiner und Aeneas Bastian.
Ardi Goldman Kunst-
und Kulturstiftung gGmbH
60386 Frankfurt