Dickmann August
Hoffnungsträger
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PORTRAIT

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Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgründen.
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Am 15. September 1939 war vorzeitiger Arbeitsschluss. […] Als wir in das Hauptlager gebracht wurden, sahen wir dem Haupttor gegenüber einem Kugelfang mit ein paar Sandhaufen davor. Daneben stand eine schwarze Kiste. Die SS war mit Sturzhelmen und Maschinengewehren ausgerüstet. Dann wurde mein Bruder mit gefesselten Händen vor den Kugelfang gebracht. Jetzt gab der Lagerkommandant durch den Lautsprecher folgendes bekannt: ‚Der Häftling August Dickmann aus Dinslaken, geboren am 7. Januar 1910, verweigert den Wehrdienst, weil er ein Bürger des Königreiches Gottes sei. Er sagt: Wer Menschenblut vergießt, dessen Blut soll wieder vergossen werden. So hat er sich außerhalb der Volksgemeinschaft gestellt und wird auf Anordnung des Reichsführers SS Himmler erschossen‘. Zu meinem Bruder gewandt, schrie er: ‚Dreh Dich um, du Schwein!‘ dann gab er den Schießbefehl. Den Blick zum Kugelfang gerichtet, wurde mein Bruder von drei SS-Unterführern erschossen. Nachdem er zusammengebrochen war, ging der Lagerführer (Rudolf Höß) – ein hoher SS-Offizier – hin und schoss ihm noch eine Kugel durch den Kopf.
August Dickmanns Bruder, Heinrich, überlebte das KZ Sachsenhausen. Mit dem Wachturm, der Zeitung der Zeugen Jehovas, sprach er 1972 über die Ermordung seines Bruders
Am 15. September 1939 war vorzeitiger Arbeitsschluss. […] Als wir in das Hauptlager gebracht wurden, sahen wir dem Haupttor gegenüber einem Kugelfang mit ein paar Sandhaufen davor. Daneben stand eine schwarze Kiste. Die SS war mit Sturzhelmen und Maschinengewehren ausgerüstet. Dann wurde mein Bruder mit gefesselten Händen vor den Kugelfang gebracht. Jetzt gab der Lagerkommandant durch den Lautsprecher folgendes bekannt: ‚Der Häftling August Dickmann aus Dinslaken, geboren am 7. Januar 1910, verweigert den Wehrdienst, weil er ein Bürger des Königreiches Gottes sei. Er sagt: Wer Menschenblut vergießt, dessen Blut soll wieder vergossen werden. So hat er sich außerhalb der Volksgemeinschaft gestellt und wird auf Anordnung des Reichsführers SS Himmler erschossen‘. Zu meinem Bruder gewandt, schrie er: ‚Dreh Dich um, du Schwein!‘ dann gab er den Schießbefehl. Den Blick zum Kugelfang gerichtet, wurde mein Bruder von drei SS-Unterführern erschossen. Nachdem er zusammengebrochen war, ging der Lagerführer (Rudolf Höß) – ein hoher SS-Offizier – hin und schoss ihm noch eine Kugel durch den Kopf.
August Dickmann wuchs in einfachen Verhältnissen auf und arbeitete nach der Volksschule in einem Sägewerk. Anfang der 1930er-Jahre begann er gemeinsam mit seinen Brüdern Heinrich und Fritz ein Bibelstudium bei den Zeugen Jehovas. Bereits 1933 lehnten die Zeugen Jehovas aus religiöser Überzeugung den Nationalsozialismus ab und verweigerten den Hitlergruß sowie den Wehrdienst. Die Nationalsozialisten reagierten darauf mit zunehmender Verfolgung und dem Verbot der Gemeinschaft in immer mehr Städten Deutschlands.
Trotzdem hielten August und seine Brüder unbeirrt an ihrem Glauben fest. Auch als 1935 sein Bruder Fritz ins Konzentrationslager Esterwegen gebracht wurde, setzte August seine Bibelstunden fort und lebte nach den Lehren der Religionsgemeinschaft. 1936 wurde auch er von der Gestapo verhaftet und zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Nach der Haft wurde er 1937 ins Konzentrationslager Sachsenhausen verschleppt. 1939 wurde schließlich auch sein Bruder Heinrich nach Sachsenhausen deportiert.
Als August Dickmanns Wehrpass an seine Heimatadresse zugestellt wurde, ließ ihn seine Frau ins KZ Sachsenhausen nachsenden. Die SS forderte ihn auf, das Dokument zu unterschreiben. Doch Dickmann verweigerte den Befehl – aus religiöser Überzeugung. Er erklärte, dass er niemals Menschen im Krieg töten könne. Jehova habe den Krieg nicht befohlen, also könne er ihn nicht führen. Adolf Hitler erkenne er nicht als Führer an, sondern bezeichnete ihn als „personifizierte Bosheit“ und als „Werkzeug Satans“.
Dickmann wurde zusammengeschlagen und in Einzelhaft im Lagerbunker gesperrt. Lagerkommandant Baranowski beantragte beim Reichsführer SS, Heinrich Himmler, eine „Sonderbehandlung“. Am 15. September 1939, zehn Tage nach seiner Weigerung, wurde August Dickmann im Alter von 29 Jahren vor allen Häftlingen des Lagers erschossen. Selbst die New York Times berichtete darüber. August Dickmann war der erste Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgründen, der im nationalsozialistischen Deutschland hingerichtet wurde.
Anschließend versuchte die SS die rund 350 Zeugen Jehovas im Lager zu zwingen, ihren Glauben zu widerrufen und eine Erklärung zu unterschreiben – andernfalls drohe ihnen dasselbe Schicksal wie Dickmann. Doch sie ließen sich nicht einschüchtern: Nur zwei Häftlinge traten vor und zogen ihre bereits geleistete Unterschrift zurück.
Quellen: Gedenkstätte und Museum Sachsenhausen. 80-Jahrestag der Ermordung von August Dickmann, 15. September 2019, online.
Nils Werner: Vergessene Nazi-Opfer: Die Zeugen Jehovas.10.03.2023. MDR-Geschichte NS-Zeit, online.
Seit dem 18. September 1999 erinnert ein Gedenkstein in der Gedenkstätte Sachsenhausen an August Dickmann.
Christoph Wilker: Zeugen Jehovas: Verfolgung und Widerstand (publiziert am 16.01.2025), in: lexikon, hrsg. vom NS-Dokumentationszentrum München, online.
Helmut Kurz: In Gottes Wahrheit leben. Religiöse Kriegsdienstverweigerer im Zweiten Weltkrieg. Bremen 2020.
Johannes Wrobel: Die öffentliche Hinrichtung des Zeugen Jehovas August Dickmann am 15. September 1939 im KZ Sachsenhausen, Manuskript (PDF) des Vortrags anlässlich der Anbringung einer Gedenktafel an die Erschießung Dickmanns, gehalten am 18. September 1999 in der KZ-Gedenkstätte und Museum
Hans Hesse: Die Kriegsdienstverweigerung der Zeugen Jehovas in der NS-Zeit. Über August Dickmann, siehe ab Minute 12. NS-Dokumentationszentrum München·08.07.2019. Zu sehen auf YouTube.
Julia Haungs: Zeugen Jehova in der NS-Zeit – Widerstand durch Verweigerung. SWR-Kultur, 27. Januar 2025. Erstsendung vom 1. März 2024. Manuskript zur Sendung ist als PDF erhältlich.
Nils Werner: Vergessene Nazi-Opfer:Die Zeugen Jehova. MDR-Geschichte, März 2023.
Nela Fichtner: Juni 1933: Nazi-Deutschland verbietet die Zeugen Jehovas. SWR-Kultur-Zeitwort, 22. Juni 2020.
Zeugen Jehovas sind Mitglieder einer weltweiten christlich-orientierten Religionsgemeinschaft, die im späten 19. Jahrhundert in den USA entstanden ist. Sie glauben an die Bibel als wörtliches Wort Gottes und verwenden den Namen „Jehova“ für Gott.
Typisch für Zeugen Jehovas ist ihr missionarischer Einsatz – oft durch Hausbesuche oder das Verteilen von Zeitschriften wie Der Wachtturm und Erwachet. Sie beteiligen sich nicht an politischen oder militärischen Aktivitäten und lehnen Bluttransfusionen aus religiösen Gründen ab. Feiertage wie Weihnachten oder Geburtstage feiern sie nicht, da sie diese nicht als biblisch begründet ansehen. Die Gemeinschaft erwartet das baldige Eingreifen Gottes in die Weltgeschichte und lebt in Vorbereitung auf dieses Ereignis.
Ursprünglich wurden sie im 19. Jahrhundert als Bibelforscher bezeichnet, bevor sie sich 1931 offiziell in Zeugen Jehovas umbenannten.
Während der NS-Zeit wurden sie wegen ihrer Kriegsdienstverweigerung, der Ablehnung des Hitlergrußes und ihres Widerstands gegen den Führerkult verfolgt. Viele wurden in Konzentrationslager deportiert, wo zahlreiche starben oder hingerichtet wurden.
In den Jahren 1936 und 1937 leisteten Zeugen Jehovas aktiven Widerstand gegen das NS-Regime. Mit groß angelegten Flugblattaktionen – der größten ihrer Art in der Vorkriegszeit – informierten sie die Bevölkerung über ihre Verfolgung und protestierten gegen das nationalsozialistische Unrecht. Als Folge wurden sie noch härter unterdrückt: Von den rund 25.000 Zeugen Jehovas, die es 1933 in Deutschland gab, wurde etwa die Hälfte verhaftet. Rund 2.000 kamen in Konzentrationslager, und über 1.200 wurden zwischen 1933 und 1945 getötet – weil sie ihrem Glauben treu blieben.
Christoph Wilker: Zeugen Jehovas: Verfolgung und Widerstand (publiziert am 16.01.2025), in: nsdoku.lexikon, hrsg. vom NS-Dokumentationszentrum München, online.
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