Löhr Hans-Albrecht
Hoffnungsträger
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PORTRAIT

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Der kleine Dienstag.
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An allem Unfug, der passiert, sind nicht etwa nur die schuld, die ihn tun, sondern auch die, die ihn nicht verhindern.
Erich Kästner
An allem Unfug, der passiert, sind nicht etwa nur die schuld, die ihn tun, sondern auch die, die ihn nicht verhindern.
Erich Kästners und Hans-Albrecht Löhrs Freundschaft beginnt 1929. Der siebenjährige Hans-Albrecht war von Kästners gerade erschienenem Kinderbuch „Emil und die Detektive“ so begeistert, dass er dem Schriftsteller einen Leserbrief schreibt. Mit seinem Brief, in dem der ohne Vater aufwachsende Hans-Albrecht sich, seine Mutter und seine Schwester vorstellt, und Kästner aufzählt, welche Straßen Berlins, in denen Emils Geschichte spielt, er angesehen hat, erobert er sofort Kästners Herz.
Nach mehreren Briefen treffen sie sich zum Kaffee und Hans-Albrecht ist glücklich dem von ihm verehrten Kästner nah zu sein. 1930 spielt Löhr in der Theaterfassung von Emil und die Detektive den kleinen Dienstag. Als der Roman 1931 verfilmt wird und er auch hier die Rolle des kleinen Dienstags spielen darf, erfüllt sich für ihn ein Traum. Eine große Ehre. “Der kleine Dienstag“ wird sein Spitzname. Löhr und seine Schwester sind Testleser für Kästners nächstes Kinderbuch „Pünktchen und Anton“.
Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 ändert sich alles. Kästner muss mit ansehen, wie seine Bücher verbrannt, sein Werk verboten und ihm selbst jede Veröffentlichung untersagt wird. Er schreibt nun unter Pseudonym Drehbücher – auch für nationalsozialistische Filmproduktionen. Nach einem Verhör durch die Gestapo zieht er einen schmerzhaften Schluss: Aus Angst, Hans in Gefahr zu bringen, bricht er den Kontakt ab. Er weiß, wie sehr ihn das treffen wird. Hans-Albrecht glaubt, sein großes Vorbild sei wie viele andere Intellektuelle ins Exil gegangen. Doch Kästner bleibt in Berlin.
Nach einer Falschmeldung über Kästners Tod, weiß der inzwischen jugendliche Hans-Albrecht, dass sein Freund die ganze Zeit in Berlin war. Ihm wird klar, dass Kästner ihn nur schützen wollte und steht weiterhin zu ihrer Freundschaft. Beide hoffen auf ein schnelles Ende des Krieges. Umsonst: Hans-Albert bekommt seinen Einberufungsbescheid, was für den Pazifisten Kästner unerträglich ist. Dennoch sieht er für den 19-jährigen keine Chance sich dem zu widersetzen, da auf Desertion die Todesstrafe steht.
Nachdem Kästners Freund Erich Ohser alias e.o.plauen in Gestapo-Haft Suizid beging und seine eigene Wohnung durch Bombenangriffe der Alliierten zerstört wurde, verlässt er doch noch Berlin. Bei Kriegsende erhält er während vorgetäuschter Dreharbeiten in Tirol die Nachricht von Hans Albrecht Löhrs Tod, „gefallen an der Ostfront“. Der kleine Dienstag wurde 20 Jahre alt.
Erich Kästner: Emil und die Detektive. Berlin 1928.
Erich Kästner: Pünktchen und Anton. Berlin 1931.
Dorothee Schön: Wer war der echte kleine Dienstag? Online-Version.
Emil und die Detektive. Hans Albrecht Löhr (der kleine Dienstag). Regie: Gerhard Lamprecht. Deutschland 1931
Kästner und der kleine Dienstag. Regie: Wolfgang Murnberger. Deutschland, Österreich, 2016.
„Sehr geehrter Herr Kästner, Meine Mummi hat mir Ihre Adresse gesagt, weil ich so gerne an Sie schreiben wollte. Meine Schwester und ich haben den Emil gelesen. Es war ein knorkiges Buch. Ich habe mir die meisten Sachen angesehen. Und was ich mirh nicht angesehen habe, das sehe ich mir noch an. In der Schumannstraße 16 war ich auch. Pony Hütchen habe ich aber leider nicht gesehen ( … ) . Sonst hätte ich mit ihr gespielt. Am besten gefällt mir wo Gustav gesagt hat: Der da mit der Milone auf dem Dach. Meine Mutter sakt jetzt zu uns immer wen wir uns zanken zankt euch nicht haut euch nicht kratzt euch lieber die Augen aus. Meine Mummi schimpft, weil ich so schlecht und falsch geschrieben habe. Aber ich bin erst sieben Jahre. Ich will Ihnen nochmals sagen, das Buch war sehr schön. Hans-Albrecht Löhr.“
Mit diesem Leserbrief eroberte Hans-Albrecht Löhr Erich Kästners Herz.
Quelle: Dorothee Schön, Kaestner-Genese, online.
„Da der kleine Hans-Albrecht Löhr ein ungewöhnlich liebenswürdiger und aufgeweckter kleiner Junge war, blieb es nicht aus, dass wir uns, trotz des beträchtlichen Altersunterschiedes, anfreundeten und dass wir einander in den Nazi-Jahren immer wieder einmal sahen. Als er in das wehrpflichtige Alter kam, konnte es nicht ausbleiben, dass er dann sehr bald nach Russland kam und dort ist er – wo, weiß ich nicht – gefallen. Jedenfalls ist dieser Hans-Albrecht für mich eine unverlierbare Erinnerung. Allein an diesem einzigen sinnlosen Verlust kann ich ermessen, was, millionenfach multipliziert, Hitler auf dem Gewissen hat“.
Erich Kästner
Quelle: Dorothee Schön, Kaestner-Genese, online.
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