Hörl GEDÄCHTNIS, 2024
Der Kunstparcours
GEDÄCHTNIS, 2024
EDUCATION
Studium Freie Bildende Kunst / Meisterschüler, Städelschule – Staatliche Hochschule für bildende Künste, Frankfurt am Main
GRANTS, AWARDS, RECOGNITION
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Ein Blick hinter das Werk
In seiner Arbeit Gedächtnis überführt der Künstler und Steinbildhauer Daniel Hörl den auf dem Union-Areal vorgefundenen Naturstein in einen vielschichtigen bildhauerischen wie konzeptuellen Prozess. Durch präzise Bearbeitung, Bürstung und formale Reduktion verwandelt sich das Material – schwer, widerständig, dauerhaft, in ein sensibles Medium für Erinnerung, Sprache und Zeit. Mit den zehn Letterquadern verweist der Künstler auf Paul Celans Gedicht Corona.
Paul Celan (1920–1970), einer der bedeutendsten deutschsprachigen Lyriker der Nachkriegszeit, überlebte den Holocaust und schrieb eine Dichtung, die zwischen persönlichem Trauma und universeller Sprache oszilliert. In Corona verdichtet er existenzielle Themen wie Liebe, Vergänglichkeit und Erinnerung zu poetischen Bildern, die sich der Eindeutigkeit entziehen: „Wir lieben einander wie Mohn und Gedächtnis“ ein Vers, der das fragile Verhältnis von Leben und Erinnerung, von Schönheit und Schmerz umkreist.
Hörl überträgt Celans poetische Intensität in eine steinerne Form. Die massiven, kreisrunden Steine treten im urbanen Raum als stille Zeichen auf – zwischen Gewicht und Schweben, Präsenz und Verschwinden. Inmitten der Bewegung und Geräuschhaftigkeit der Stadt eröffnen sie einen Raum der Konzentration. Der Dialog zwischen Wort, Material und Ort lädt zur kontemplativen Wahrnehmung ein: Die BetrachterInnen werden Teil eines Prozesses, in dem Bedeutung nicht festgeschrieben, sondern erfahren wird, im Wechsel von Licht, Wetter und Blick.
So wird Celans Gedicht nicht illustriert, sondern in den Stadtraum übersetzt: Der Stein, der sich „zu blühen bequemt“, wird hier buchstäblich zur Metapher für das Erwachen von Erinnerung im öffentlichen Bewusstsein.
Paul Celan
Corona
Aus der Hand frißt der Herbst mir sein
Blatt: wir sind Freunde.
Wir schälen die Zeit aus den Nüssen
und lehren sie gehn:
die Zeit kehrt zurück in die Schale.
Im Spiegel ist Sonntag,
im Traum wird geschlafen,
der Mund redet wahr.
Mein Aug steigt hinab zum Geschlecht
der Geliebten:
wir sehen uns an,
wir sagen uns Dunkles,
wir lieben einander wie Mohn und
Gedächtnis,
wir schlafen wie Wein in den Muscheln,
wie das Meer im Blutstrahl des Mondes.
Wir stehen umschlungen im Fenster,
sie sehen uns zu von der Straße:
es ist Zeit, daß man weiß!
Es ist Zeit, daß der Stein sich zu blühen
bequemt,
daß der Unrast ein Herz schlägt.
Es ist Zeit, daß es Zeit wird.
Es ist Zeit.
Über die Künstler:in
Der Künstler und Steinbildhauermeister Daniel Hörl (*1982 in Fulda) hat nach seiner Ausbildung zum Steinbildhauer an der Meisterschule für Steinmetze und Bildhauerei an der Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg studiert, wo er seinen Abschluss als Meisterschüler bei Professor Claus Bury gemacht hat. Sein Studium an der Städelschule bei Professor Tobias Rehberger in Frankfurt am Main schloss er 2013 mit dem Absolventenpreis des Städelschule Portikus e. V. ab.
Ardi Goldman Kunst-
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