Der Kunstparcours

Hagen Bonifer

>Ich< ist der Hieroglyph der unter der Schöpfung steht, 2025

Acrylglas, Mattgold lackiert | Einzelbuchstabe: 65 cm hoch Gesamtlänge: 41m | Abstand zur Wandfläche: 2cm

Der Drang, Vergangenes als lebendig zu erretten, stillt sich allein der Kunst, der selbst Geschichte als Darstellung vergangenen Lebens zugehört und jedweder Gedanke dabei ist bereits aus dem Schosse der Sprache geboren.

Hagen Bonifer lebt und arbeitet in Mühlheim am Main, DE.
*1957 in Offenbach am Main, DE

EDUCATION

Studium HfG (Hochschule für Gestaltung) Offenbach, Deutschland

Ein Blick hinter das Werk

In Bonifers Werk ergänzen sich Wort und Bild – das geschriebene Wort ist Ausgangspunkt und wird zum poetischen Zeichen, das im Raum sichtbar, lesbar und körperlich erfahrbar wird. Besonders häufig findet diese Verbindung in Bezug zur Architektur, etwa am Baukörper selbst, statt, wie auf dem Union-Gelände. Für Bonifer gibt es Parallelen zwischen der Struktur eines Gebäudes und der Sprache, beides sind „Sprachgebäude“, bestehend aus Zeichen, Rhythmus und Ordnung.

Auch im Rahmen des aktuellen Kunstparcours hat sich Bonifer mit der architektonischen Erscheinung des Gebäudes auseinandergesetzt: Der Rhythmus der Fenster und Mauern, die klare vertikale und horizontale Gliederung sowie die äußere Materialität, die an Industriebauten erinnern, begründen die Typografie seiner Inschrift. Die formale Klarheit des Gebäudes spiegelt sich in ihr wider – sie wirkt reduziert und streng, ihre Gestaltung erinnert an altsemitische Schriften. Verweist auf jene frühen Schriftkulturen, in denen Sprache als heilige Zeichenwelt verstanden wurde: Die alten Ägypter sprachen von Medu Netscher („Gottesworte“), die Griechen nannten sie Hieroglyphen, heilige Zeichen.

Der Vers: „>Ich< ist der Hieroglyph, der unter der Schöpfung steht“ wird horizontal und gut lesbar über das Mauerwerk geführt. Dabei steht er sinnbildlich für den Grundgedanken von Bonifers Arbeit und verweist auf zwei zentrale Ideen der Kabbala, der mystischen jüdischen Tradition, die bis heute künstlerische und geistige Strömungen inspiriert. Zum einen auf die Vorstellung, dass alle Schöpfung aus dem Wort hervorgeht, den Urlauten. Zum anderen auf den Gedanken, dass der Mensch im Zentrum des Kosmos steht – als Träger eines geheimnisvollen, schöpferischen Ichs, das sich seiner Bestimmung bewusst werden soll.

Bonifer begreift Sprache nicht nur als Kommunikationsmittel, sondern als eine ursprüngliche Form von Geistigkeit. Jeder Gedanke wird, bewusst oder unbewusst, aus dem Schoß der Sprache geboren.

Der Vers am Gebäude ist daher nicht nur poetischer Kommentar, sondern eine Aufforderung, dass sich der Mensch – zwischen „oberen und unteren Welten“ stehend – seiner geistigen Verantwortung bewusst werden möge. Es ist ein Aufruf zur inneren Orientierung, zum Mut, sich gegen blinde Ideologien und verführende Machtversprechen zu stellen und stattdessen der eigenen Stimme zu folgen.

Denn: Was sonst könnte uns helfen, aus dem Schatten falscher Dienstbarkeiten und fortgesetzter Verbrechen herauszutreten, wenn nicht die Entscheidung für eine geistige Haltung von Herz und Verstand?

Über die Künstler:in

Hagen Bonifer Gold am Stein
>Ich< ist der Hieroglyph der unter der Schöpfung steht

Im Mittelpunkt des interdisziplinären Schaffens von Hagen Bonifer, der neben seiner künstlerischen Arbeit auch als Bühnenbildner im In- und Ausland tätig ist, steht die körperliche Präsenz von Schrift im Raum. Seine Werke bewegen sich im Spannungsfeld zwischen Sprache, Zeichen, Architektur und Erinnerung – oft an der Schnittstelle von bildender Kunst und Literatur.

In der Rhein-Main-Region wurde Bonifer durch den Gemäldezyklus Vom Nutzen zu zweifeln: 2. Juni 1967 sowie durch die Inschrift auf dem Eisernen Steg in Frankfurt am Main bekannt: „Auf weinfarbenem Meer segelnd zu anderssprachigen Menschen.“

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