Bonhoeffer
Hoffnungsträger
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PORTRAIT
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Von guten Mächten wunderbar geborgen.
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"Dummheit ist ein gefährlicherer Feind des Guten als Bosheit. Gegen das Böse lässt sich protestieren, es lässt sich bloßstellen, es lässt sich notfalls mit Gewalt verhindern, das Böse trägt immer den Keim der Selbstzersetzung in sich, indem es mindestens ein Unbehagen im Menschen zurücklässt. Gegen die Dummheit sind wir wehrlos. Weder mit Protesten noch mit Gewalt lässt sich hier etwas ausrichten."
Dietrich Bonhoeffer
"Dummheit ist ein gefährlicherer Feind des Guten als Bosheit. Gegen das Böse lässt sich protestieren, es lässt sich bloßstellen, es lässt sich notfalls mit Gewalt verhindern, das Böse trägt immer den Keim der Selbstzersetzung in sich, indem es mindestens ein Unbehagen im Menschen zurücklässt. Gegen die Dummheit sind wir wehrlos. Weder mit Protesten noch mit Gewalt lässt sich hier etwas ausrichten."
Bonhoeffer, Sohn des bekannten Psychiaters und Neurologen Karl Bonhoeffer, wird nach Theologiestudium und Habilitation Studentenpfarrer in Berlin. Bereits 1933 gilt er als entschiedener Gegner der Nationalsozialisten und begründet in seinem Aufsatz „Die Kirche vor der Judenfrage“ die Pflicht der Christen zum Widerstand gegen staatliche Unrechtshandlungen. Von 1935 bis 1937 leitet er das Predigerseminar der Bekennenden Kirche, das zunächst in Zingst/Pommern, später in Finkenwalde bei Stettin besteht, und ist führender Theologe dieser kirchlichen Oppositionsbewegung. Die von Bonhoeffer geleiteten Kurse prägen alle Teilnehmer entscheidend in ihrer theologischen Entwicklung. 1937 untersagt Reichskirchenminister Hans Kerrl die Fortsetzung dieser Seminare. 1938 ist Bonhoeffer in die Staatsstreichplanungen seines Schwagers Hans von Dohnanyi eingeweiht. 1940 ins Amt Ausland/Abwehr des Oberkommandos der Wehrmacht eingezogen reist Bonhoeffer mehrmals ins Ausland, um Verbindungen zu alliierten Regierungen zu knüpfen. Anfang April 1943 wird er verhaftet. Ohne Gerichtsverfahren bleibt er zwei Jahre im Gefängnis Tegel gefangen. Hier entstehen seine bedeutendsten theologischen Werke. Im Februar 1945 wird Dietrich Bonhoeffer in das KZ Buchenwald verlegt und Anfang April in das KZ Flossenbürg gebracht, wo er am 9. April 1945 nach einem SS-Standgerichtsverfahren ermordet wird.
© Gedenkstätte Deutscher Widerstand
Rehabilitation
Erst viele Jahrzehnte später wird das Todesurteil gegen Bonhoeffer als rechtswidrig erklärt: Im August 1996 rehabilitierte ihn das Berliner Landgericht. Zum 90. Geburtstag Bonhoeffers stellten mehrere Gruppen, darunter der Dietrich-Bonhoeffer-Verein, einen Antrag auf Aufhebung des Urteils. Auf seine Initiative brachte die Evangelische Fachhochschule Hannover das Verfahren ins Rollen.
Quelle: Dietrich Bonhoeffer Verein: Rehabilitation 1996. Online.
- Dietrich Bonhoeffer wird von evangelischen Kirchen in Deutschland, Großbritannien und den USA als Märtyrer und bedeutender Theologe verehrt. Auch die römisch-katholische Kirche führt ihn im Deutschen Martyrologium des 20. Jahrhunderts. Sein Gedenktag ist der 9. April.
- Statuen und Büsten Bonhoeffers finden sich unter anderem in Berlin, Breslau, Bamberg, Ansbach, Marl, Hamburg, Nürnberg, im Naumburger Dom und in der Westminster Abbey in London.
- Über 300 Straßen sowie zahlreiche Schulen, Kirchen, Gemeindehäuser und Pfadfindergruppen in Deutschland tragen seinen Namen. Das Bonhoefferufer in Berlin (seit 1950), das Bonhoeffer-Haus in Berlin (seit 1987) und das Dietrich-Bonhoeffer-Klinikum in Neubrandenburg (seit 2002) erinnern an ihn.
- Eine Gedenktafel in der KZ-Gedenkstätte Buchenwald (seit 2019) und eine Stele in Weimar-Nord (seit 2025) würdigen sein Wirken.
- Keine Ehrung für Bonhoeffer. Israels Oberstes Gericht bestätigt Entscheidung von Yad Vashem: Am 30. Dezember 2005 bestätigte das Oberste Gericht in Jerusalem die Entscheidung der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem, Dietrich Bonhoeffer nicht als „Gerechter unter den Völkern“ auszuzeichnen. Zwar hatte Bonhoeffer 1942 der zum Christentum übergetretenen Jüdin Charlotte Friedenthal geholfen, ins Ausland zu fliehen. Doch für die Ehrung durch Yad Vashem ist laut Definition notwendig, dass eine Person unter direkter Lebensgefahr Juden vor der Verfolgung gerettet hat – eine Voraussetzung, die im Fall Bonhoeffers nach Einschätzung der zuständigen Kommission nicht erfüllt war. Gegen diese Entscheidung legten Historiker, Kirchenvertreter und Repräsentanten des Reformjudentums Beschwerde ein. Rabbiner Uri Regev, Präsident der Weltunion für Progressives Judentum, kritisierte, dass wesentliche Aspekte bei der Beurteilung nicht berücksichtigt worden seien. Er zeigte Verständnis für die richterliche Zurückhaltung, äußerte sich jedoch enttäuscht über das Ergebnis. Yad Vashem hingegen sieht das Urteil als Bestätigung für die Arbeit seiner Kommission.
Quelle: Detlef David Kauschke, Keine Ehrung für Bonhoeffer – Israels Oberstes Gericht bestätigt Entscheidung von Yad Vashem. Jüdische Allgemeine-Online, 5.1.2006.
- Eberhard Bethge: Dietrich Bonhoeffer. Theologe, Christ, Zeitgenosse. München 1983.
- Christine-Ruth Müller: Dietrich Bonhoeffers Kampf gegen die nationalsozialistische Verfolgung der Juden. Bonhoeffers Haltung zur Judenfrage im Vergleich mit Stellungnahmen aus der evangelischen Kirche und Kreisen des deutschen Widerstandes. München 1990.
- Ruth-Alice von Bismarck, Ulrich Kabitz (Hrsg.): Dietrich Bonhoeffer, Maria von Wedemeyer: Brautbriefe Zelle 92, 1943-1945, S. 208-210. München 1992.
Renate Wind: Dem Rad in die Speichen fallen. Die Lebensgeschichte des Dietrich Bonhoeffer. Gelesen von Matthias Ponnier. Gütersloh 2009.
Während seiner Haft im Kellergefängnis des Reichssicherheitshauptamtes in der Berliner Prinz-Albrecht-Straße schrieb Bonhoeffer im Dezember 1944 das Gedicht „Von guten Mächten wunderbar geborgen …“. Er legte es einem Brief an seine Verlobte Maria von Wedemeyer und an seine Familie bei – ein Zeichen tiefer Verbundenheit und innerer Klarheit mitten in der Ungewissheit.
Gefängnis Prinz-Albrecht-Straße vom 19.12.1944
Meine liebste Maria!
Ich bin so froh, dass ich Dir zu Weihnachten schreiben kann, und durch Dich auch die Eltern und Geschwister grüßen und Euch danken kann. Es werden sehr stille Tage in unsern Häusern sein. Aber ich habe immer wieder die Erfahrung gemacht, je stiller es um mich herum geworden ist, desto deutlicher habe ich die Verbindung mit Euch gespürt. Es ist, als ob die Seele in der Einsamkeit Organe ausbildet, die wir im Alltag kaum kennen. So habe ich mich noch keinen Augenblick allein und verlassen gefühlt. Du, die Eltern, Ihr alle, die Freunde und Schüler im Feld, Ihr seid mir immer ganz gegenwärtig. Eure Gebete und guten Gedanken, Bibelworte, längst vergangene Gespräche, Musikstücke, Bücher bekommen Leben und Wirklichkeit wie nie zuvor. Es ist ein großes unsichtbares Reich, in dem man lebt und an dessen Realität man keinen Zweifel hat. Wenn es im alten Kinderlied von den Engeln heißt: <zweie die mich decken, zweie, die mich wecken>, so ist diese Bewahrung am Abend und am Morgen durch gute unsichtbare Mächte etwas, was wir Erwachsenen heute nicht weniger brauchen als die Kinder.
Du darfst also nicht denken, ich sei unglücklich. Was heißt denn glücklich und unglücklich? Es hängt ja so wenig von den Umständen ab, sondern eigentlich nur von dem, was im Menschen vorgeht. Ich bin jeden Tag froh, dass ich Dich, Euch habe und das macht mich glücklich froh.
Das Äußere ist hier kaum als in Tegel, der Tageslauf derselbe, das Mittagessen wesentlich besser, Frühstück und Abendbrot etwas knapper. Ich danke Euch für alles, was Ihr mir gebracht habt. Die Behandlung ist gut und korrekt. Es ist gut geheizt. Nur die Bewegung fehlt mir, so schaffe ich sie mir bei offenem Fenster in der Zelle mit Turnen und Gehen. Einige Bitten: ich würde gern von Wilhelm Raabe, Abu Telfan, oder Schüdderump lesen. Könnt Ihr meine Unterhosen so konstruieren, dass sie nicht rutschen? Man hat hier keine Hosenträger. Ich bin froh, dass ich rauchen darf! Dass Ihr alles für mich denkt und tut, was Ihr könnt, dafür danke ich Euch; das zu wissen ist für mich das Wichtigste.
Es sind nun fast 2 Jahre, dass wir aufeinander warten, liebste Maria. Werde nicht mutlos! Ich bin froh, dass Du bei den Eltern bist. Grüße Deine Mutter und das ganze Haus sehr von mir. Hier noch ein paar Verse (siehe Rubrik Gedicht), die mir in den letzten Abenden einfielen. Sie sind der Weihnachtsgruß für Dich und die Eltern und Geschwister.
Sei mit Eltern und Geschwistern in großer Liebe und Dankbarkeit gegrüßt.
Es umarmt Dich
Dein Dietrich
Quelle: Ruth-Alice von Bismarck, Ulrich Kabitz (Hrsg.): Dietrich Bonhoeffer, Maria von Wedemeyer: Brautbriefe Zelle 92 1943-1945, S. 208-210. München 1992. © gemeinfrei (Dietrich Bonhoeffers Briefe seit 2016)
Gedicht
Von guten Mächten
Von guten Mächten treu und still umgeben
behütet und getröstet wunderbar, –
so will ich diese Tage mit euch leben
und mit euch gehen in ein neues Jahr;
noch will das alte unsre Herzen quälen
noch drückt uns böser Tage schwere Last,
Ach Herr, gib unsern aufgeschreckten Seelen
das Heil, für das Du uns geschaffen hast.
Und reichst Du uns den schweren Kelch, den bittern,
des Leids, gefüllt bis an den höchsten Rand,
so nehmen wir ihn dankbar ohne Zittern
aus Deiner guten und geliebten Hand.
Doch willst Du uns noch einmal Freude schenken
an dieser Welt und ihrer Sonne Glanz,
dann woll’n wir des Vergangenen gedenken,
und dann gehört Dir unser Leben ganz.
Laß warm und hell die Kerzen heute flammen
daß Du in unsre Dunkelheit gebracht,
führ, wenn es sein kann, wieder uns zusammen!
Wir wissen es, Dein Licht scheint in der Nacht.
Wenn sich die Stille nun tief um uns breitet
so laß uns hören jenen vollen Klang
der Welt, die unsichtbar sich um uns weitet,
all Deiner Kinder hohen Lobgesang.
Von guten Mächten wunderbar geborgen
erwarten wir getrost, was kommen mag.
Gott ist bei uns am Abend und am Morgen,
und ganz gewiß an jedem neuen Tag.
Das Gedicht wurde 1972 von Siegfried Fietz vertont. 2021 wurde es auf den ersten Platz der beliebtesten Lieder für das neuen Evangelischen Gesangbuches gewählt.

Quelle: Dietrich Bonhoeffer – Predigten. Universität Göttingen: Archiv-8, Bonhoeffer-Faksimile. Commons Wikimedia © Dietrich Bonhoeffer. Dieses Werk ist gemeinfrei, weil seine urheberrechtliche Schutzfrist abgelaufen ist.
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