Kuckhoff Adam
Hoffnungsträger
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Steckbrief

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Ein Widerstandsnetzwerk, das sich selbst nie so nannte.
Adam Kuckhoff wächst in einer Fabrikantenfamilie in Aachen auf. Seit seiner Studienzeit in Halle ist er mit Adolf Grimme befreundet. In den zwanziger Jahren ist er Intendant der Wanderbühne des Frankfurter Künstlertheaters. Er gibt die Werke von Georg Büchner heraus, übernimmt die Redaktion der „Tat“ und veröffentlicht dort erste Reportagen von John Sieg. 1930 wird er Dramaturg des Berliner Schauspielhauses. Kuckhoff verfasst – ab 1932 freischaffend – Theaterstücke, veröffentlicht 1930 die Romane „Scherry“ und 1937 „Der Deutsche von Bayencourt“. Seit 1933 bestehen über Greta Lorke, mit der er seit 1937 verheiratet ist, freundschaftliche Kontakte zu Arvid und Mildred Harnack. Aus dieser Freundschaft entwickelt sich ein Diskussionskreis, dem später auch Adolf Grimme und John Sieg angehören. 1940 lernt Kuckhoff Harro Schulze-Boysen kennen. Er arbeitet an illegalen Schriften mit, u.a. an „Die innere Front“ und „Offene Briefe an die Ostfront“. Kuckhoff hat auch Kontakte zu dem Vertreter der sowjetischen Botschaft, Alexander Korotkow. Am 12. September 1942 verhaftet die Gestapo ihn während Filmarbeiten in Prag. Adam Kuckhoff wird am 3. Februar 1943 vom Reichskriegsgericht zum Tode verurteilt und am 5. August 1943 in Berlin-Plötzensee ermordet.
© Gedenkstätte Deutscher Widerstand
Nach 1945 wurde Adam Kuckhoff vor allem in der DDR als aktiver Widerstandskämpfer offiziell anerkannt. 1969 ehrte ihn die Sowjetunion postum mit dem Rotbannerorden.
In Berlin erinnert eine Gedenktafel an seinem letzten Wohnhaus in der Wilhelmshöher Straße 18/19 an ihn und eine weitere Tafel finden sich auf dem Aachener Ostfriedhof.
Auf der Gedenktafel für die Opfer des Faschismus an den städtischen Bühnen in Frankfurt am Main ist Adam Kuckhoff aufgeführt.
Sein Name lebt auch in zahlreichen Ortsbezeichnungen fort: Die Kuckhoffstraße in Berlin-Niederschönhausen erinnert an ihn und seine Frau Greta, ebenso Straßen in Halle an der Saale und Aachen. In Berlin-Friedenau trägt seit 1990 ein Platz unweit seiner früheren Wohnung seinen Namen, ebenso ein Platz in Kleinmachnow. In Leipzig-Grünau war von 1983 bis 1990 die 93. Oberschule nach ihm benannt. Auch die Volksmarine ehrte ihn: Zwei Torpedoschnellboote trugen zwischen 1961 und 1984 seinen Namen.
Johannes Tuchel: „… wenn man bedenkt, wie jung wir sind, so kann man nicht an den Tod glauben.“ Liane Berkowitz, Friedrich Rehmer und die Widerstandsaktionen der Berliner Roten Kapelle. Berlin 2022.
Dieter Götze: Ein Idealist der Linken. Der Schriftsteller Adam Kuckhoff (1887 – 1943). In: Berlinische Monatsschrift; 6. Jg. 1997, H. 12, S.71ff.
Sigrid Bock: Kämpfer vor dem Sieg. In: Sigrid Bock/Manfred Hahn (Hrsg.): Erfahrung Nazideutschland: Romane in Deutschland 1933 – 1945, Berlin 1987.
Adam Kuckhoff: „Fröhlich bestehen“. Prosa, Lyrik, Dramatik. Aachen 1985.
Gedicht für Greta
Andern hab ich manchen Vers geschrieben
dir nur hier und da ein kleines Wort
Zeugt das nicht von kleinrer Kraft im Lieben
geh ich nicht als Schuldner von dir fort
Oh Geliebte unermessen
war die Liebe die uns zwei verband
über ihr hab ich das Wort vergessen
weil ein jeder Tag uns in ihr fand.
Denkst du an das Blut in deinen Lungen
sprichst du von der Luft die dich umgibt
Nein ich hab dich nicht besungen
nur geliebt
Müsst ich dir nicht noch so vieles sagen
jede Stunde rinnt vom letzten fort
und doch finde ich in diesen Tagen
kaum ein Wort, kaum ein Wort.
Dir verschuldet in so vielen Dingen
seh` ich ruhig doch das Ende nahn
Nichts blieb so wie wir zusammen gingen
von dem Größten bis zu dem Geringen
ungesagt und ungetan.
Adam Kuckhoff
4. Februar 1943
29. Dezember 1942
Meine liebe Frau, wie kannst Du denken, daß ich Dich nicht sehen, daß ich Dir nicht schreiben will! Ich habe es immer wieder versucht, zuletzt zu Weihnachten. Da ich nicht weiß, ob es Dich erreicht, noch einmal: Du und der Kleine wart und seid das große Glück meines Lebens, und alles, was an Herz in mir ist, ist bei Euch. Sein Besuch hier haftet ganz tief in mir: die Verbindung von Wärme, Haltung und Verstehen. Mach Dir um ihn keine Sorge, er wird, das weiß ich, fest und stark und „fröhlich bestehen“.
Wie dank ich Dir für ihn, gerade in diesen Tagen, in denen Du mir ihn gabst, wie fühle ich dabei doppelt, was ich Dir damals und so oft vorher und nachher schuldig geblieben bin. Wie wünsche ich, es noch an Dir gutmachen zu können, wehre nicht ab! Ich weiß schon, was ich auch gegeben habe, aber von mir aus gesehn, ist es nie genug im Vergleich mit dem, was ich durch Euch empfing. Wie ich überhaupt in diesen Wochen — wie könnte es anders sein — Abrechnung mit mir halte und so vieles erkenne, was ich, und im Kerne, falsch gemacht habe. O ja, man verdient schon, was man hat, nur in einem noch viel tieferen Sinne und nur, daß es nicht tröstet, sondern den heißen Wunsch erweckt, es besser machen zu können. Schließe daraus nicht, daß ich mehr, als es sein muß, niedergeschlagen bin. Wir müssen es nun tragen, wie es kommt, so schwer es im Augenblick ist und sein mag. Es ist schon viel, voneinander zu wissen, auch meine Gedanken gehen nach Traunkirchen, in unsere liebe Wohnung und meine Blicke von hier zu dem Gebäude, in dem ich Dich das letzte Mal gesehen habe und das durch Zufall nun vor meinen Augen liegt. Und an die Deinen denke ich und an alles und alle — ja ich bin etwas weich heute, das neue Jahr und unsere schönen einsamen Silvesternächte. Ich hoffe, daß Du den Kleinen hast sehen können. Wenn es doch auch uns vergönnt wäre! Deine Stimme, Deine Hand, alles wäre nur halb so schwer, aber auch so zu wissen um einander, es ist viel, Greta, es ist viel, Liebe Du.
Quelle: Greta Kuckhoff (Hrsg.): Adam Kuckhoff zum Gedenken. Berlin 1946.
Tag der Hinrichtung
Plötzensee, den 5. August 1943
Meine Greta! Ich weiß, daß es schwerer für Dich ist, als wenn Du mit mir gegangen wärst, aber ich muß mich freuen, daß Du – ich hoffe es — bleibst: für den Sohn, für alles, was nur in Dir so lebendig ist, ich fühle es ganz klar voraus, ich weiß „wie Du leben wirst“, wenn Du wieder in Freiheit bis für das, was alle Deine Briefe atmeten. Gern und für viele fruchtbar hätte ich weitergelebt, so sinnlich gegenwärtig ist mir gerade heute so mancher Augenblick mit Dir, mit Euch — der Feuerkogel! — gewesen. Aber der Sin eines Lebens fließt aus ihm selbst, aus allem, was es gewesen ist, wirklich gewesen ist. Es war mit Dir — ich wiederhole es noch einmal — die volle Erfüllung. Wie viele Menschen können von sich sagen, daß sie so glücklich gewesen sind. Was noch? „Nichts blieb, so wie wir zusammengingen …“ So war es, als wir uns zuletzt sahen und so ist es geblieben. Was noch in diesen Stunden zu sagen wäre, steht in den Briefen an die anderen, ich brauche es nicht zu wiederholen. Falls ich für die Deinen nicht Zeit und Raum habe, sag ihnen, wieviel sie mir, in: besondere auch Mutters Briefe, gewesen sind und wie glücklich ich bin, Dich ihnen erhalten zu wissen.
Es ist 3 Uhr, kurz bevor ich gehe, schreibe ich Dir den letzten Gruß.
Quelle: Greta Kuckhoff (Hrsg.): Adam Kuckhoff zum Gedenken. Berlin 1946.
An den fünfjährigen Sohn Ule
Berlin, den 5. August 1943
Mein lieber Sohn Ule!
Ich weiß, wie lieb Du mich hast – denn Deta nanntest Du mich einmal – und Du bist, so groß und verständig Du bist, noch zu klein, um es ganz zu verstehen, was ich Dir schreibe, und doch muß ich es Dir sagen, damit Du es einmal weißt: Du wirst Deinen lieben Vater nicht wiedersehen. So gern hätte er Dich aufwachsen sehen, er hat Dich auch so lieb, so lieb gehabt, so viel Schönes wollte er noch mit Dir erleben und Dich lehren: immer, wenn er etwas las, hat er dabei an Dich gedacht. Aber er weiß, daß Du ihn, so jung Du noch bist, nie vergessen wirst, er weiß auch, er hofft, daß alles das, was er Dir nicht sein konnte, Deine gute Mutter sein, daß Du von ihr, was ich war und wie lieb ich Dich hatte, erfahren wirst. Deine Mutter – halte sie hoch und vergilt ihr, was ich auch ihr nicht mehr sein kann. Sie ist das köstlichste Gut, das ich gewann, sie wird für Dich, wenn sie Dir erhalten bleibt, das köstlichste sein. Nach ihr Dein lieber, großer Bruder – nein, Du bist nicht arm, wenn ich jetzt auch von Dir gehe. Wie froh bin ich, daß Dein Herz mein Bild noch bewahren konnte, Du liebes Glück, für das ich Deiner Mutter mehr als für alles danke. Grüße die lieben Großeltern, Tante Käte, Harald, Karin, Onkel Erhard – die sind mir alle so lieb geworden. Ich küsse Dich mit ganzer Vaterliebe.
Dein Adam-Vater
Quelle: Greta Kuckhoff (Hrsg.): Adam Kuckhoff zum Gedenken. Berlin 1946.
An Armin-Gerd Kuckhoff
Plötzensee, den 5. August 1943
Mein lieber Sohn!
Es ist so weit: In vier Stunden! – Als Du gegangen warst, hatte ich mir Vorwürfe gemacht, daß diese Begegnung zu sehr auf Leben gestellt war. Das letzte Mal – ich sah Dich noch weggehen, Deinen lieben schmalen Rücken. Ich habe es Dir oft gesagt, ich wiederhole es in dieser Stunde: Du hast mir nur Freude gemacht, wie ich überhaupt das Glück hatte, in meinen nahen Menschen das reinste, schönste Menschentum zu erleben. In Dobrilugk – welche Fügung – konnte ich Dir alles so sagen, wie selten eine Stunde es gewährt. Wozu es jetzt wiederholen. Ich habe bis zuletzt an den Dingen gearbeitet, zu denen ich seit der Schule nicht gekommen war: Astronomie, Mathematik, Physik, und Du kannst Dir denken, wie oft ich an Dich gedacht (bei meinen Sachen ist ein Aufsatz über die »realen« Zahlen, hoffentlich könnt Ihr ihn entziffern). Das Wahre, das Große, das Schöne, es hält sich bis zuletzt, und nur dies. Grüße Edith und die Kinder, wie freute mich ihr Bild. Ich weiß, wie Du leiden wirst, ich weiß, wie Du mich liebst.
Dein Vater
Quelle: Greta Kuckhoff (Hrsg.): Adam Kuckhoff zum Gedenken. Berlin 1946.
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