Kuckhoff Greta
Hoffnungsträger
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Steckbrief

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Ein Widerstandsnetzwerk, das sich selbst nie so nannte.
Unsere Fingerabdrücke wurden genommen. Dann Porträtaufnahmen. Mir musste man nicht zureden, das Kinn hochzuhalten – das war sowieso eine Unart von mir. Ich weiss nicht, ob man Rassenkunde mit unseren Köpfen treiben wollte oder wozu man sonst die überscharfen Fotos von vorn und jeweils von der linken und rechten Seite brauchte. (…) Es geschah in einer entwürdigenden Weise. Sie zupften an meinem Ohr herum, ich habe kein freihängendes Ohrläppchen, sie schienen es als Bestätigung irgendeiner Theorie zu empfinden.
Greta Kuckhoff, Vom Rosenkranz zur Roten Kapelle. Berlin 1978, S. 334 – 335
Unsere Fingerabdrücke wurden genommen. Dann Porträtaufnahmen. Mir musste man nicht zureden, das Kinn hochzuhalten – das war sowieso eine Unart von mir. Ich weiss nicht, ob man Rassenkunde mit unseren Köpfen treiben wollte oder wozu man sonst die überscharfen Fotos von vorn und jeweils von der linken und rechten Seite brauchte. (…) Es geschah in einer entwürdigenden Weise. Sie zupften an meinem Ohr herum, ich habe kein freihängendes Ohrläppchen, sie schienen es als Bestätigung irgendeiner Theorie zu empfinden.
Die in Frankfurt an der Oder als Tochter eines Musikinstrumentenmachers geborene Greta Lorke legt 1924 das Lehrerinnenexamen ab und studiert anschließend in Berlin und Würzburg Volkswirtschaft und Soziologie. Nach längeren Auslandsaufenthalten setzt sie zwischen 1927 und 1929 ihr Soziologiestudium an der Universität Wisconsin/USA fort und arbeitet nach der Rückkehr aus den Vereinigten Staaten als Sprachlehrerin und Übersetzerin. Nachdem sie Anfang der dreißiger Jahre unter anderem als wissenschaftliche Sekretärin bei Karl Mannheim am Institut für Sozialforschung in Frankfurt am Main tätig gewesen ist, arbeitet sie bis 1942 als freiberufliche Übersetzerin. Greta Lorke lebt seit 1935 mit Adam Kuckhoff zusammen, den sie 1937 heiratet. Ein Jahr später wird ihr Sohn Ule geboren. Adam und Greta Kuckhoff gehören zum Gesprächs- und Freundeskreis um Mildred und Arvid Harnack, den Greta während ihres Studiums in den Vereinigten Staaten kennen gelernt hat. 1940 vermittelt das Ehepaar Kuckhoff den Kontakt zu Harro und Libertas Schulze-Boysen. Adam Kuckhoff hat Verbindungen zum sozialdemokratischen Widerstand und arbeitet 1941/42 an mehreren Flugschriften der Roten Kapelle mit. Im Juni 1941 bewahrt das Ehepaar Kuckhoff ein Funkgerät für die Widerstandsgruppe auf. Adam Kuckhoff wird am 12. September in Prag festgenommen, am 3. Februar 1943 zum Tode verurteilt und am 5. August 1943 in Berlin-Plötzensee ermordet. Greta Kuckhoff wird zu einer zehnjährigen Zuchthausstrafe verurteilt und im Mai 1945 von der Roten Armee aus dem Zuchthaus Waldheim befreit.
© Gedenkstätte Deutscher Widerstand
Nach ihrer Rückkehr nach Berlin trat Greta Kuckhoff in die KPD ein. Sie übernahm die Leitung der Amtsstelle für entnazifizierte und herrenlose Betriebe in Berlin. Gemeinsam mit anderen Mitgliedern der Roten Kapelle kämpfte sie mehrfach darum, den ehemaligen Generalrichter Dr. Manfred Roeder vor Gericht zu bringen.
1946 wurde sie stellvertretende Leiterin der Abteilung Ernährung beim Berliner Magistrat. Dort setzte sie sich entschieden für Chancengleichheit von Frauen in Führungspositionen ein. Doch die Bespitzelung durch die westlichen Alliierten ließ ihr keine Ruhe – Kuckhoff zog in den Osten Berlins.
1950 übernahm sie gleich zwei Schlüsselpositionen: Hauptabteilungsleiterin im Außenministerium der DDR und Präsidentin der Deutschen Notenbank. Acht Jahre später, nach Konflikten mit der SED-Führung, trat sie zurück.
Ganz aus der Öffentlichkeit verschwand sie jedoch nicht: Als langjährige Vizepräsidentin des Deutschen Friedensrates arbeitete sie für die Entwicklung der deutsch-britischen Beziehungen.
Quellen: Frauen im Widerstand: Greta Kuchhoff. Geschichtsforum, online; Greta Kuckhoff: Vom Rosenkranz zur Roten Kapelle. Berlin 1978.
Greta Kuckhoff wurde vielfach ausgezeichnet: 1955 erhielt sie die Clara-Zetkin-Medaille und den Vaterländischen Verdienstorden in Silber, 1958 die Medaille für Kämpfer gegen den Faschismus.
Es folgten der Vaterländische Verdienstorden in Gold (1965), die Carl-von-Ossietzky-Medaille des Friedensrates der DDR (1968), der Stern der Völkerfreundschaft in Silber (1968) und Gold (1972) sowie 1970 die Ehrenspange zum Vaterländischen Verdienstorden in Gold. Weitere Ehrungen waren 1967 die Ehrenbürgerwürde der Stadt Frankfurt an der Oder, 1973 die Ehrendoktorwürde der Martin-Luther-Universität Wittenberg, 1977 die Thomasius-Plakette der Universität Halle-Wittenberg und 1980 der Karl-Marx-Orden.
Ihr Name lebt auch in Straßennamen fort: Die Kuckhoffstraße in Berlin-Niederschönhausen erinnert an sie und ihren Mann Adam, weitere Kuckhoffstraßen gibt es in Leipzig und Lützen, ein Kuckhoffplatz in Magdeburg.
Johannes Tuchel: „… wenn man bedenkt, wie jung wir sind, so kann man nicht an den Tod glauben.“ Liane Berkowitz, Friedrich Rehmer und die Widerstandsaktionen der Berliner Roten Kapelle. Berlin 2022.
Griebel, Regina/Coburger, Marlies/Scheel, Heinrich, Erfasst? Das Gestapo-Album zur Roten Kapelle. Eine Fotodokumentation, Halle 1992.
Greta Kuckhoff: Vom Rosenkranz zur Roten Kapelle. Berlin 1978.
Von Adam Kuckhoff aus dem Gefängnis an seine Frau Greta
Plötzensee, 23. November 1942
Meine Greta!
Ich bin mit allen Gedanken und mit meinem ganzen Herzen bei Dir. Ich sah einen
Augenblick Dein schmal gewordenes liebes Gesicht, das hat mir so weh getan. Mach Dein Herz stark und laß uns, was auch kommt, miteinander tragen, wie wir alles miteinander getragen haben: zusammen und jeder für sich zusammen. Ich sah unseren Kleinen. Wie ich ihn liebe und wie ich an seine Zukunft glaube: Dank, daß Du ihn mir gabst, Du arme Liebe Du!
Ich küsse Dich.
Dein A.
Quelle: Greta Kuckhoff (Hrsg.): Adam Kuckhoff zum Gedenken. Berlin 1946
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