Schlösinger Rose
Hoffnungsträger
–
Steckbrief

- zum Standort navigieren
Ein Widerstandsnetzwerk, das sich selbst nie so nannte.
Ich habe kein Klassenbewusstsein – nur Menschenbewusstsein.
Rose Schlösinger
Ich habe kein Klassenbewusstsein – nur Menschenbewusstsein.
Die Jugendpflegerin Rose Ennenbach gehört der Sozialistischen Arbeiterjugend an. 1931/32 ist sie mit dem Handelslehrer Friedrich Heinemann verheiratet und bringt 1932 die Tochter Marianne zur Welt.
Nach der politischen Maßregelung ihrer sozialdemokratisch engagierten Mutter wird sie aus einem Praktikum entlassen und ist zeitweilig arbeitslos. Anschließend zieht sie nach Chemnitz, arbeitet bei den Wanderer-Schreibmaschinenwerken und sorgt allein für den Unterhalt der Familie.
1939 heiratet sie den im Auswärtigen Amt tätigen Dolmetscher Bodo Schlösinger und zieht nach Berlin. Dort ist sie als Chefsekretärin bei der Continental Büromaschinen Gesellschaft tätig. Sie, ihr Ehemann und ihre Mutter beteiligen sich an einem Diskus-sions- und Schulungskreis um Arvid und Mildred Harnack. 1942 überbringt Rose Schlösinger Hans Coppi einige Male chiffrierte Funksprüche von Arvid Harnack, die je-doch nicht gesendet werden können.
Rose Schlösinger wird am 18. September 1942 festgenommen. Das Reichskriegs-gericht verurteilt sie am 20. Januar 1943 wegen „Spionage” zum Tode. Rose Schlösin-ger wird am 5. August 1943 in Berlin-Plötzensee ermordet.
© Gedenkstätte Deutscher Widerstand
Rolf Hochhuth widmete seine Novelle „Die Berliner Antigone“ 1963 seiner Frau Marianne, der Tochter von Rose Schlösinger. Die Erzählung erinnert an das Schicksal seiner Schwiegermutter.
Zur Eröffnung der Ausstellung der Gedenkstätte Deutscher Widerstand im Juni 1993 in der Paulskirche wurde auch Rose Schlösinger vom damaligen Oberbürgermeister Andreas von Schoeler gewürdigt.
Am 5.10.1993 wurde von der „Initiative 9. November” in Frankfurt, in Anwesenheit ihrer Tochter Marianne Sideri-Heinemann ein Apfelbaum für Schlösinger in der „Allee der Erkenntnis” an der Gedenkstätte für die Synagoge an der Friedberger Anlage gepflanzt.
Eine kleine Parkanlage am Bornheimer Hang in Frankfurt am Main heißt seit 1994 Rose-Schlösinger-Anlage. Im selben Jahr wurde am 5. Oktober an ihrem Frankfurter Geburtshaus, Münzenberger Straße 4, eine Gedenktafel angebracht. Am 1. September 2018 wurden vor ihrem ehemaligen Wohnort in der Sebastianstraße 42 in Berlin-Mitte, Stolpersteine für sie und Bodo Schlösinger verlegt. 2021 wurde ein Raum im Bürgerhaus Frankfurt-Bornheim nach ihr benannt.
Gerhard Hochhuth: „Ich habe kein, Klassenbewusstsein – nur Menschenbewusstsein“. Rose und Bodo Schlösinger und die Rote Kapelle, in: Stiftung Gedenkstätte Deutscher Widerstand (Hrsg.): Schriftenreihe Frauen im Widerstand gegen den Nationalsozialismus, Band 3, Berlin 2023.
Johannes Tuchel: „… wenn man bedenkt, wie jung wir sind, so kann man nicht an den Tod glauben.“ Liane Berkowitz, Friedrich Rehmer und die Widerstandsaktionen der Berliner Roten Kapelle. Berlin 2022.
Hans Coppi / Jürgen Danyel / Johannes Tuchel (Hrsg.): Die Rote Kapelle im Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Berlin 1994.
Regina Griebel/Marlies Coburger/Heinrich Scheel: Erfasst? Das Gestapo-Album zur Roten Kapelle, Halle 1992, S. 136 f.
Podcast Rote Kapelle. Auf einem Spaziergang durch Berlin erfahren Sie die Geschichte der legendären Widerstandsgruppe. Ein Projekt von Stefan Roloff, produziert von der Gedenkstätte Deutscher Widerstand und When 6 is 9 Productions GmbH. Deutsch, Englisch und Spanisch.
Auszug aus dem Brief, den Rose Schlösinger kurz vor ihrem Tod an ihre Mutter, Sophie Ennenbach, schrieb
Es ist auch kein schlechter Gedanke zu wissen, dass ich bis zum letzten Moment davon überzeugt war, dass ich für meine Liebe gestorben bin – es ist kein schlechter Tod. Wir bleiben zusammen – das bisschen Sterben ändert daran nichts.“
Gerhard Hochhuth: Rose Schlösinger in: In: Frankfurter Personenlexikon, Onlineausgabe.
Es war Roses letzter Wunsch, dass ihre damals elf Jahre alte Tochter Marianne nichts vom schrecklichen Tod ihrer Mutter erfahren sollte. Erst an ihrem 18. Geburtstag erhielt Marianne den Abschiedsbrief ihrer Mutter. Darin schrieb sie Si an ihre Tochter:
Und dann sollst Du Kinder haben – wenn man Dir Dein erstes Kind in den Arm legt, vielleicht denkst Du dann an mich, dass es auch ein Höhepunkt meines Lebens war, als ich Dich kleines rotes Bündel zum ersten Mal hielt und dann denk an die Abende, als wir uns im Bett unterhielten über die vielen wichtigen Dinge des Lebens – ich versuchte Deine Fragen zu beantworten – und denk an die schönen drei Wochen an der See – an den Sonnenaufgang, und als wir am Strand barfuß von Bansin nach Ückeritz liefen … – so viel Schönes hatten wir zusammen, mein Kind, das sollst Du alles auch noch einmal erleben und noch viel mehr. Und noch eins will ich Dir verraten: Wenn man sterben muss, tut einem jedes böse Wort leid, das man einem lieben Menschen gegeben hat; wenn man weiterleben dürfte, würde man sich das Merken und sich viel besser beherrschen.
Vielleicht kannst Du Dir das merken – Du machst Dir und anderen das Leben und später auch das Sterben leichter. Und sei froh, so oft Du kannst – jeder Tag ist kostbar, es ist schade um jede Minute, die man traurig zugebracht hat. Meine Liebe zu Dir soll Dich ein ganzes Leben lang begleiten. – Ich küsse Dich – … Leb wohl mein Liebes – bis zuletzt denkt mit größter Liebe an Dich Deine Mama
Rose Schlösinger: Abschiedsbrief. In: Helmut Gollwitzer, Kathe Kuhn, Reinhold Schneider (Hrsg.): Du hast mich heimgesucht bei Nacht. Abschiedsbriefe und Aufzeichnungen des Widerstandes 1933 bis 1945. München 1954.
Ardi Goldman Kunst-
und Kulturstiftung gmbH
60386 Frankfurt
Kontaktieren
sie uns
069 00000000