Trocmé André
Hoffnungsträger
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PORTRAIT

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Insel der Furchlosen
Ich kenne keine Juden, ich kenne nur Menschen.
André Trocmé
Ich kenne keine Juden, ich kenne nur Menschen.
André Trocmé wurde 1901 als Sohn eines protestantischen Textilindustriellen in St. Quentin geboren. Seine Mutter stammte aus einer alten Pastorenfamilie. Schon früh prägten ihn die Werte seines Elternhauses: Verantwortung, Gewissen und ein tiefes Gefühl für Gerechtigkeit.
Nach seiner Schulzeit studierte Trocmé Evangelischen Theologie. In Paris und später in New York vertiefte er sich in die Botschaft des Evangeliums – doch für ihn waren es nie nur Worte. Er glaubte an einen Glauben, der im Leben sichtbar werden muss.
1934 trat er seine erste Pfarrstelle in Le Chambon-sur-Lignon an, an einem abgelegenen Ort im Süden Frankreichs. Die Menschen dort waren Nachfahren von Hugenotten, selbst Nachkommen von Verfolgten, die ihren Glauben nie verraten hatten. Es war eine Gemeinde, die wusste, was es bedeutet, im Widerstand zu leben – auch ohne Waffen.
Als die deutsche Wehrmacht Frankreich besetzte und das Vichy-Regime mit den Nationalsozialisten kollaborierte, veränderte sich Im Juni 1940 das Leben in Le Chambon-sur-Lignon schlagartig. Inmitten dieser Umbrüche tritt Pastor André Trocmé vor seine Gemeinde. Ruhig, aber bestimmt fordert er sie auf, Verfolgten Zuflucht zu gewähren – Menschen, die keinen anderen Ort mehr haben.
Die Bewohner des kleinen protestantischen Ortes und der umliegenden Dörfer im Südosten Frankreichs hören zu – und handeln. Sie öffnen ihre Türen, teilen Essen und retten Leben. Zwischen Dezember 1940 und September 1944 finden etwa 5.000 Menschen hier Schutz – darunter bis zu 3.500 Juden, die vor den Vichy-Behörden und der deutschen Besatzung fliehen.
Unter der Leitung von Pastor Trocmé, seiner Frau Magda und dem jungen Pfarrer Edouard Theis entsteht ein weitverzweigtes Hilfsnetzwerk. Flüchtlinge werden in Privathäusern, auf Bauernhöfen, in Hotels und Schulen versteckt. Ausweise werden gefälscht, Lebensmittelkarten beschafft und Fluchtrouten in die Schweiz organisiert. Die Rettung ist kein geheimes Unterfangen einiger weniger, sondern ein Akt gemeinsamer Solidarität.
Die Behörden werden misstrauisch, beobachten, durchsuchen und verhören. Doch Trocmé bleibt standhaft. Als man ihn auffordert, jüdische Flüchtlinge auszuliefern, antwortet er: „Diese Menschen sind hierhergekommen, um Hilfe und Zuflucht zu finden. Ich bin ihr Hirte. Ein Hirte lässt seine Herde nicht im Stich. Ich weiß nicht, was ein Jude ist. Ich kenne nur Menschen.“ Im Februar 1943 wird Trocmé verhaftet und fünf Wochen im Lager Saint-Paul d’Eyjeaux festgehalten. Ein Loyalitätsbekenntnis zum Regime verweigert er und taucht nach seiner Freilassung unter.
Auch in Trocmés Abwesenheit reißt die Hilfe nicht ab. Die Gemeinde steht zusammen und nimmt weiterhin Flüchtlinge auf. Magda Trocmé organisiert Unterkünfte, beschafft Lebensmittel und vernetzt Unterstützer. Ihr Engagement prägt den Geist des Widerstands ebenso wie der ihres Mannes.
Dieses außergewöhnliche Rettungswerk in Le Chambon-sur-Lignon ist vor allem Pastor André Trocmé und seiner Frau Magda zu verdanken. Mit moralischer Klarheit, unerschütterlichem Glauben und tiefem Mitgefühl prägte Trocmé das Denken und Handeln seiner Gemeinde. Er gab den Menschen dort nicht nur Orientierung, sondern auch den Mut, sich der Unmenschlichkeit mit Haltung und Entschlossenheit entgegenzustellen.
Quelle: Yad Vashem
Am 5. Januar 1971 wurde Pastor André Trocmé und am 14. Mai 1984 Magda Trocmé von Yad Vashem als Gerechte unter den Völkern geehrt.
Hanna Schott: Von Liebe und Widerstand. Das Leben von Magda & André Trocmé. Neufeld, Schwarzenfeld 2011.
André Trocmé: Engel singen nicht für Geld. Und andere Geschichten zu Weihnachten. Neufeld, Schwarzenfeld 2010.
Albert Camus: Die Pest. Roman. Taschenbuch, 2. Neuauflage Berlin 2021.
1942 war Albert Camus etwa ein Jahr lang nahe Le Chambon. Dort fing er an, „Die Pest“ zu schreiben und darin Teile der Rettungsgeschichte einzuarbeiten.
The Story of André and Magda Trocmé. Righteous Among the Nations. Yad Vashem, 2022. YouTube. In englischer Sprache.
Helden, die keine sein wollten. Dokumentarfilm von Marc Villiger und Tom Sommer, Schweiz 2015.
Die Gedenkstätte in Chambon-sur-Lignon. Der 2013 eröffnete Gedenkort erzählt die Geschichte der Zuflucht und des Widerstands in Chambon-sur-Lignon und den umliegenden Dörfern während des Zweiten Weltkriegs.
Ardi Goldman Kunst-
und Kulturstiftung gGmbH
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