Namdlog Das Siebte Kreuz, 2025
Der Kunstparcours
Das Siebte Kreuz, 2025
EDUCATION
- zum Standort navigieren
Über die Künstler:in
Idra Namdlog ist auf vielen Straßen unterwegs gewesen, aber an keiner Universität zu Hause. Seine Schule war das Leben, sein Atelier die Welt. Er reist leicht, hört genau hin, sammelt, was andere liegen lassen: Fragmente, Formen, Erinnerungen. Als Vagabund auf künstlerischer Spurensuche bewegt er sich zwischen Orten, Zeiten und Bedeutungen – immer auf der Suche nach dem Lebendigen im Übersehenen.
Seine Kunst entsteht aus dem, was bleibt: aus Resten, aus Material mit Geschichte. Für Namdlog ist jeder Kratzer eine Erzählung, jede Delle ein Zeichen von Leben. Schönheit findet er nicht im Glatten, sondern im Gezeichneten. Er glaubt an das Sichtbarmachen von Würde – und daran, dass Kunst ein Ort sein kann, an dem Rettung möglich wird.
Als Idra Namdlog die traditionsreiche Glockengießerei Rincker betrat, roch es nach Metall und Erde, die Luft war warm vom Feuer. Zwischen glühenden Formen und dunklen Schatten entdeckte er sie: sieben Bronze-Barren. Außen gleich in Form und Größe, doch jede Oberfläche sprach eine andere Sprache. Spuren von Hitze, von Luft, von Zeit. Es waren Reste alter Glocken – bestimmt für den nächsten Schmelzvorgang. Bestimmt, um wieder zu verschwinden.
Doch Namdlog sah in ihnen keine Reste. Er sah Gesichter. Geschichten. Etwas, das durch das Feuer hindurch überlebt hatte. Schönheit im Fragment. Leben im Metall. Jeder Barren atmete anders, war einzigartig, geprägt vom Zufall – und doch wie aus einer gemeinsamen Quelle geboren.
Er empfand den Moment als Entscheidung: zerstören oder bewahren. Einschmelzen oder erinnern. Für ihn war klar – das hier darf nicht verloren gehen. Die Gewalt des Feuers sollte diesmal nicht siegen.
Gedanklich war er plötzlich bei Das siebte Kreuz, dem Roman von Anna Seghers. Sieben Menschen fliehen. Nur einer entkommt. Sechs bleiben zurück. Ihn berührte die Ungerechtigkeit dieser Geschichte – und der Wunsch, ihr etwas entgegenzusetzen. Ein anderes Bild zu schaffen: eines, in dem alle sieben überleben.
So entstand das Werk „Das siebte Kreuz“. Keine Namen, keine Figuren – nur Material. Aber jedes Stück ein gerettetes Leben. Alle sind geblieben. Kein Kreuz wird mehr gebraucht.
Für Namdlog ist das Werk mehr als Skulptur. Es ist ein Gegengewicht. Eine Antwort in Bronze. Eine Brücke zwischen Handwerk und Kunst, zwischen Gewalt und Bewahrung, zwischen dem, was vergeht – und dem, was bleibt.
Ardi Goldman Kunst-
und Kulturstiftung gGmbH
60386 Frankfurt