Kropp FORT – One in a Million 29, 2024
Der Kunstparcours
One in a Million 29, 2024
Jenny Kropp lebt und arbeitet in Berlin, DE.
Jenny Kropp *1978 in Frankfurt am Main, DE
EDUCATION
Diplom Fine Art, Hochschule für Bildende Künste Hamburg
Jenny Kropp:
Diplom Hochschule für Künste Bremen
GRANTS, AWARDS, RECOGNITION
2014 Atelierstipendium der Hessischen Kulturstiftung in New York, USA
2015 Cremer-Preis (Stiftung Sammlung Cremer), Westfälisches Landesmuseum, Münster
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Ein Blick hinter das Werk
Das Werk One in a Million entfaltet in einer unscheinbaren Geste eine vielschichtige Reflexion über Identität, Vergänglichkeit und kollektive Erfahrung. Die Installation besteht aus einer beleuchteten Fenstervitrine mit Jalousie, auf deren Glas sich einst der Schriftzug „Miami Beach“ befand, Symbol eines Sehnsuchtsortes, eines Versprechens von Sonne, Leichtigkeit und Ferne. Doch die Buchstaben M, I und B sind verblasst, sodass für die Betrachtenden nur noch I AM EACH lesbar bleibt. Diese zufällige wie präzise Verschiebung eröffnet ein Spannungsfeld zwischen Sprache und Wahrnehmung, zwischen kollektiver Projektion und individueller Selbsterkenntnis. Aus dem Namen eines Ortes wird ein Bekenntnis zur Individualität: I am each – ich bin jede*r. In dieser Transformation zeigt sich FORTs Fähigkeit, die poetischen Potenziale des Alltäglichen freizulegen. Das Werk spielt mit der Fragilität von Zeichen und Bedeutungen, mit dem Prozess des Verblassens als ästhetischem und existenziellem Moment.
Wie in vielen Arbeiten von FORT entsteht auch hier aus etwas Gewöhnlichem – einer Fassade, einem Schaufenster, einer urbanen Restarchitektur – eine dichte Metapher für den Zustand der Gegenwart. Die Künstlerinnen adaptieren und rekontextualisieren vertraute Objekte aus der Alltagswelt, die in ihren neuen Zusammenhängen zwischen Realität und Inszenierung oszillieren. Durch subtile Eingriffe, Verschiebungen und Wiederholungen erzeugen sie Atmosphären, die gleichermaßen poetisch, irritierend und melancholisch sind. FORTs Praxis kreist um die Frage, wie sich gesellschaftliche und emotionale Zustände in räumlichen Situationen materialisieren. Ihre Installationen gleichen Bühnenbildern, in denen das Publikum unweigerlich selbst Teil des Geschehens wird, als Betrachterinnen, als Statistinnen, als Teil einer kollektiven Erfahrung. Oft geht es um das Scheitern von Erwartungen, um den Moment, in dem das Vertraute kippt und seine Oberfläche Risse bekommt.
One in a Million verhandelt dabei ein zentrales Motiv der Gegenwart: die Spannung zwischen Einzigartigkeit und Austauschbarkeit, zwischen dem Wunsch, jemand Besonderes zu sein, und dem Bewusstsein, Teil eines größeren Ganzen zu bleiben. Der verblassende Schriftzug wird zur Metapher für das Sich-Auflösen von Identität im Strom der Bilder, Orte und Erinnerungen und zugleich zu einem stillen Bekenntnis zur geteilten Existenz.
Die Arbeit fügt sich als leise, aber präzise Setzung in ein Umfeld ein, das von Brüchen, Verschiebungen und historischen Schatten geprägt ist. Der fragmentierte Schriftzug wird zum Sinnbild einer kollektiven Erinnerungskultur, die ebenso lückenhaft wie vielstimmig ist. Das scheinbar banale Fensterobjekt erinnert in diesem Kontext an die Architektur des Alltäglichen, an Orte des Übergangs, der Beobachtung, des Dazwischen. Wie eine geisterhafte Spur verweist es auf vergangene Utopien und gescheiterte Versprechen, aber auch auf die Möglichkeit, sich neu zu positionieren, hinzusehen, sich zu verorten.
Die poetische Verschiebung von Miami Beach zu I AM EACH lässt sich als subtile Form des Widerstands gegen die Verflachung des Selbst und der Geschichte lesen – als Plädoyer für Wahrnehmung, Empathie und das Bewusstsein des Einzelnen inmitten kollektiver Erfahrung. In seiner stillen, reflektierenden Geste fügt sich One in a Million somit nahtlos in das Werk von FORT ein, das die Brüche der deutschen Vergangenheit und Gegenwart nicht übertönt, sondern durch Irritation, Verlangsamung und poetische Klarheit sichtbar macht.
Über die Künstler:in
Das in Berlin ansässige Künstlerinnenduo FORT, bestehend aus Alberta Niemann und Jenny Kropp, arbeitet seit 2008 zusammen. Ihre Werke bewegen sich an der Schnittstelle von Skulptur, Installation und Performance. Indem sie Elemente des Alltags in den Ausstellungsraum überführen, schaffen sie Zwischenräume, in denen das Reale und das Imaginierte ineinandergreifen. FORTs künstlerische Strategie basiert auf Aneignung, Transformation und poetischer Verschiebung und öffnet so den Blick auf das, was hinter den Fassaden unserer Gegenwart liegt.
Ardi Goldman Kunst-
und Kulturstiftung gGmbH
60386 Frankfurt