Der Kunstparcours

Eva Schwab

Transit (Genda 5, Genda 8, Die große Pause), 2024

Fahnenstoff | 350 x 130 cm

Seit mehr als zwei Dekaden arbeite ich an einem umfangreichen malerischen Familienalbum, das sich aus dem Privaten ins Universelle entwickelte . Die wahlverwandtschaftliche Familie ist groß und facettenreich. Was mit kleinformatigen, figurativen Bildern und deren Abdrücken, den »Nachbildern«, begann, entwickelt sich in den neuen Werken großformatig und entgrenzt über den Bildträger hinaus. Tuch-Bilder in Enkaustik-Technik erhalten einen neuen Freiheitsgrad indem sie sich der Keilrahmen entledigen und als Fahnen- Installationen im Raum schweben und als dreidimensionale Wunderkammern ein gesamtheitliches, malerisches Universum erschaffen.

Eva Schwab lebt und arbeitet in Berlin und Frankfurt am Main, DE.
*1966 in Frankfurt am Main, DE

EDUCATION

Studium/Meisterschülerin Malerei Kunstakademie Düsseldorf, Düsseldorf

GRANTS, AWARDS, RECOGNITION

1992 Aufenthaltsstipendium an der School of Visual Arts, New York 1993 Stipendium, Cité Internationale des Arts, Paris (gefördert vom Ministerium für Wissenschaft und Forschung, NRW)

Ein Blick hinter das Werk

Mit der Arbeit Transit (Genda 5, Genda 8, Die große Pause) verwandelt Eva Schwab das Union-Areal in einen Ort der Erinnerung, der Bewegung und der Transformation. Auf weithin sichtbaren Flaggen entfalten sich malerische Motive, die zwischen persönlicher Geschichte und kollektiver Erinnerung oszillieren. Wie wehende Seiten eines visuellen Tagebuchs erzählen sie von Herkunft, Wandel und der Suche nach Identität – Themen, die Schwabs gesamtes Werk durchziehen. Die Künstlerin, geboren in Frankfurt am Main und familiär eng mit Hanau verbunden, verweist mit dieser Arbeit auch auf die Geschichte ihrer Familie. Ihr Großvater gründete in der Nachkriegszeit in Hanau das Versandhaus Schwab, das mit Otto, Neckermann und Quelle zu den prägenden Akteuren der jungen westdeutschen Konsumgesellschaft gehörte. Was einst als Symbol des wirtschaftlichen Aufbruchs galt, der Katalog, der die Welt in die Wohnzimmer brachte, wird bei Eva Schwab zum Ausgangspunkt einer künstlerischen Reflexion über Erinnerung, Transformation und kulturelle Erbschaften.

Seit über zwei Jahrzehnten arbeitet Schwab an einem umfangreichen malerischen Familienalbum, das aus biografischen Anfängen herauswuchs und sich zunehmend in ein universelles System der Bezüge, Spiegelungen und Selbstbefragungen verwandelte. Ihre „Erinnerungsrecherche“, wie sie es nennt, führt sie von privaten Fotografien über historische und mythologische Motive bis zu zeitgeschichtlichen und popkulturellen Überlagerungen. Dabei entstehen komplexe Bildgewebe, in denen sich weibliche Figuren, Alter Egos, Kunstzitate und archetypische Szenen überlagern und zu irritierenden Szenerien zusammenfügen.

In der Serie Transit werden diese malerischen Reflexionen in die Öffentlichkeit getragen – buchstäblich. Die Motive Genda 5, Genda 8 und Die große Pause flattern als Flaggen im Wind, entziehen sich damit der Ruhe und Geschlossenheit des klassischen Tafelbildes. Die Bewegung der Stoffe verweist auf das Flüchtige und Unfassbare von Erinnerung, während die leuchtenden Farbflächen und figurativen Andeutungen einen emotionalen, fast körperlichen Resonanzraum eröffnen. Der Titel Transit deutet auf Übergänge, zwischen Generationen, Geschlechtern, Zeiten und Identitäten. Schwab interessiert sich für die „Nachbilder“, die bleiben, wenn die ursprünglichen Erfahrungen längst verblasst sind. Diese Nachbilder erscheinen hier als malerische Verdichtungen, die zugleich Erinnerungszeichen und Neuschöpfungen sind. Dass Schwab die Bildmotive als Flaggen ins Freie entlässt, ist mehr als eine formale Entscheidung: Die Flagge, Symbol von Zugehörigkeit, Nation, Identität oder Protest, wird in ihrem Werk zum Träger des Persönlichen und damit zum Gegenentwurf zur kollektiven Vereinnahmung. Die wehenden Bilder verweisen auf Bewegung statt Besitz, Offenheit statt Festlegung, Erinnerung statt Monument.

Mit Transit (Genda 5, Genda 8, Die große Pause) schafft Eva Schwab eine poetische und zugleich politisch lesbare Geste. Ihre Flaggen sind Zeichen eines fortwährenden Suchens, nach dem Eigenen, nach Verbindungen über Zeit und Raum hinweg, nach einer Sprache für das, was bleibt, wenn Herkunft, Geschichte und Identität sich verändern.

Ardi Goldman Kunst-
und Kulturstiftung gGmbH

Carl-Benz-Straße 35
60386 Frankfurt

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