Der Kunstparcours

Sterling Ruby

STOVE 2, 2012

Bronze | 158.4 x 68.6 x 50.8 cm | Edition 3/3, 1 AP (#3/3)
Sterling Ruby lebt und arbeitet in Los Angeles, USA.
*1972, Bitburg, Deutschland

EDUCATION

B.A. The School of the Art Institute of Chicago, Chicago
M.A. ArtCenter College of Design, Pasadena, Kalifornien

GRANTS, AWARDS, RECOGNITION

2017 MAD Ball Annual Visionaries! Awards, Museum of Arts and Design, New York
2019 Alumni Award: Distinguished Midcareer, ArtCenter College of Design Pasadena, Kalifornien

Ein Blick hinter das Werk

Innerhalb dieses vielschichtigen Werkkorpus nehmen die Öfen (Stoves) eine besondere Stellung ein. Sie gehören zu Rubys eindringlichsten Werkserien und verbinden persönliche Erinnerung, materielle Forschung und kunsthistorische Reflexion. Die Skulpturen, wie etwa Stove 2 aus dem Jahr 2013, sind aus Bronze gegossen und voll funktionsfähig, sie können tatsächlich befeuert werden. Damit überführen sie den Ofen als Objekt aus dem Bereich des Alltäglichen in den künstlerischen Kontext, ohne ihm seine ursprüngliche Funktion zu entziehen.

Rubys Bezugspunkt ist dabei sowohl autobiografisch als auch symbolisch. Der Künstler wuchs im ländlichen Pennsylvania auf, auf einer Farm, die zeitweise ausschließlich mit einem Holzofen beheizt wurde. Diese Erfahrung prägte seine Wahrnehmung von Wärme, Arbeit und Energie ebenso wie seine Vorstellung von Zerstörung und Erneuerung. Ruby beschreibt diese Erinnerungen als „ritualisierte“ Abläufe des Holzhackens, Stapelns und Feuermachens – als Prozesse, in denen Rohmaterial transformiert und durch Feuer in eine andere Materie überführt wird. Das Motiv des Feuers wird so zu einer Metapher für schöpferische wie zerstörerische Kräfte, für alchemistische Umwandlung und für die ständige Dialektik von Materie und Geist, die seinem Werk innewohnt.

Die Ofenserie verweist zugleich auf die Geschichte der industriellen Moderne. Die gusseisernen Kanonenöfen, die ihr als Vorbilder dienten, waren in den Werkstätten und Bauernhäusern des 19. und frühen 20. Jahrhunderts allgegenwärtig. Sie stehen für Arbeit, Handwerk, Energieproduktion und im erweiterten Sinne für den Kreislauf von Verbrauch und Erneuerung. In Rubys künstlerischer Übersetzung werden sie zu Allegorien auf den schöpferischen Prozess selbst: Der Ofen ist sowohl Werkzeug als auch Behältnis, sowohl Ort der Transformation als auch Skulptur.

Darüber hinaus steht die Serie im Dialog mit zentralen kunsttheoretischen Fragestellungen des 20. Jahrhunderts, insbesondere mit Marcel Duchamps Konzept des Readymade. Während Duchamp Alltagsgegenstände durch ihre Kontextverschiebung in Kunst verwandelte und ihnen damit ihre Funktionalität entzog, kehrt Ruby dieses Prinzip um: Seine Öfen behalten ihre Gebrauchsfähigkeit. Diese bewusste Entscheidung stellt eine doppelte Geste dar, eine Rückkehr zur Materialität und zur Handarbeit einerseits und eine konzeptuelle Erweiterung des Readymade-Begriffs andererseits. Rubys Öfen sind somit hybride Objekte: Sie sind Skulpturen, Instrumente, Symbole und Erinnerungsbehälter zugleich.

Auch in gesellschaftspolitischer Hinsicht erfahren die Werke Resonanz. Indem Ruby industrielle Materialien mit natürlichen Elementen konfrontiert, thematisiert er Fragen von Ressourcen, Konsum und Nachhaltigkeit. Die Öfen erinnern an Produktions- und Entsorgungsprozesse, an das Verbrennen von Reststoffen und die Umwandlung von Altem in Neues. Themen, die in ihrer allegorischen Dimension auf ökologische und ökonomische Spannungen der Gegenwart verweisen. So werden Rubys Öfen zu Metaphern für Energie, Wandel und künstlerische Alchemie. Sie verbinden Biografie mit Kulturgeschichte, Funktionalität mit Konzept und verknüpfen das Private mit dem Gesellschaftlichen. In ihnen verdichtet sich Sterling Rubys Denken über Kunst als ein fortwährender Prozess des Umwandelns, des Verbrennens und Neuschaffens, ein Kreislauf, in dem Materie und Bedeutung untrennbar ineinandergreifen.

Über die Künstler:in

Sterling Ruby zählt zu den herausragenden Künstlern seiner Generation, deren Praxis sich durch eine außergewöhnliche mediale und formale Bandbreite auszeichnet. Seit den frühen 2000er-Jahren entwickelt Ruby ein Werk, das gleichermaßen von den Traditionen der bildenden Kunst wie auch von der Gegenwartskultur gespeist ist. Zwischen Skulptur, Malerei, Keramik, Textilkunst, Installation, Video und Architektur oszillierend schafft Ruby ein komplexes Œuvre, das immer wieder die Grenzen zwischen Handwerk, Kunst und Alltagskultur neu verhandelt. Dabei integriert er kunsthistorische Referenzen, vom abstrakten Expressionismus bis zum Bauhaus, in eine rohe, unmittelbare Formensprache, die gesellschaftliche Themen wie Arbeit, Konsum, Gewalt und Transformation reflektiert.

Zu seinen Einzelausstellungen zählen die Sogetsu Foundation, Tokio (2023), das Museum of Cycladic Art, Athen (2021), das Institute of Contemporary Art, Boston (2020), das Institute of Contemporary Art, Miami (2019), das Nasher Sculpture Center, Dallas (2019), das Museum of Art and Design, New York (2018), Des Moines Art Museum (2018), Museum of Contemporary Art, Los Angeles (2017), Winterpalais, Belvedere Museum, Wien (2016) und Musée de la Chasse et de la Nature, Paris (2015). Ausgewählte aktuelle Gruppenausstellungen umfassen u. a. den Palazzo Diedo – Berggruen Arts & Culture, Venedig (2024), The Metropolitan Museum of Art (2021–22), 21st Century Museum of Contemporary Art, Kanazawa, Japan (2020), Desert X Biennial (2019) und weitere im The Warehouse, Dallas (2024), Whitney Museum of American Art, New York (2019), National Museum of Modern Art, Osaka (2019), Museum of Contemporary Art, Chicago (2018), Berkeley Art Museum and Pacific Film Archive (2018), Musée des Arts Décoratifs, Palais du Louvre, Paris (2017), Tel Aviv Museum of Art (2017), Museum of Contemporary Art, Los Angeles (2017), Los Angeles County Museum of Art (2016) und Hammer Museum, Los Angeles (2016).

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