Wachholz The Kiss of Heaven, 2024
Der Kunstparcours
The Kiss of Heaven, 2024
Brennende Streichhölzer verschmelzen beinahe tanzend im Hauch eines Augenblicks und zeugen von Vergänglichkeit. Die Streichholzschachtel ist ebenso ein Medium des Übergangs: zwischen Ruhe und Aktion, Potenzial und Auslösung, Ordnung und Störung. In ihr steckt alles, was mich als Künstler interessiert – in konzentrierter Form.
EDUCATION
M.A. Freie Kunst Kunstakademie Düsseldorf, Düsseldorf
GRANTS, AWARDS, RECOGNITION
- zum Standort navigieren
Ein Blick hinter das Werk
Die Installation „The Kiss of Heaven“, eigens für das Union-Gelände entwickelt, setzt diese Fragen im öffentlichen Raum fort. Fünf filigrane Bronzeskulpturen, abstrahierte Streichholzpaare, erklimmen in liebevoller Umarmung sich küssend die Wand. Ihr scheinbar fragiler Zustand täuscht: Die Bewegung, die sie verkörpern, ist ein Tanz, zärtlich, trotzig, lebendig. Der Kuss wird zum Ankerpunkt der Körper, hält sie im Gleichgewicht und versetzt sie gleichzeitig in Bewegung. Als Weiterentwicklung der Bodenskulpturenserie „Die Tanzenden“ stellen auch diese Objekte die Frage: Was bleibt, wenn ein Gegenstand verbrannt, wenn seine Funktion erfüllt ist?
Die Antwort bleibt offen. Für manche tanzen die Skulpturen vor Lebensfreude, für andere erinnern sie an Vergänglichkeit, Verlust oder daran, dass selbst das Abgebrannte noch einmal glühen kann. Liebe, Hoffnung – und nicht zuletzt der unverwechselbare Geruch eines Streichholzes – schwängern die Luft.
In der Liebesmetaphorik ist das Streichholz ein starkes Bild: Durch Reibung, Chemie, Körpereinsatz entflammt es. Wachholz nimmt diesen Moment ernst. Er interessiert sich für die Übergänge: vom Objekt zur Abstraktion, vom Zeichen zum Gefühl, vom Gebrauchsgegenstand zum Bedeutungsträger. Seine Gemälde und Skulpturen greifen die visuelle Sprache der Popkultur auf und transformieren sie in ein formal reduziertes, geometrisch strukturiertes Vokabular. Dabei entstehen Werke, die ebenso systematisch wie poetisch sind.
Der künstlerische Zugriff ist dabei stets konzeptuell fundiert: Wachholz abstrahiert, reduziert, isoliert und schichtet. Seine Inspirationsquelle findet er dabei oft in gefundenem Material: alten Streichholzheften, Werbegrafiken, Signets. Diese werden zum Ausgangspunkt verdichteter Kompositionen, die über die Gegenwart hinausweisen – manchmal humorvoll, manchmal melancholisch und immer vielschichtig.
In einem erweiterten Bedeutungsfeld lassen sich die verbrannten Hölzer auch als Träger kollektiver Erfahrungen lesen. Als feurige Metapher für Zerstörung, Erinnerung, aber auch Widerstandskraft. In dieser Deutung tanzen die Figuren – im Angesicht der Geschichte – über den Tod hinaus. Wachholz’ Werk berührt dabei auf leise Weise existenzielle Fragen: Was macht uns aus, wenn unsere Funktion in der Welt fraglich wird? Welche Spuren hinterlassen wir?
Über die Künstler:in
Thomas Wachholz – The Kiss of Heaven
Der Künstler Thomas Wachholz (*1984 in Köln) studierte bei Katharina Grosse und Marcel Odenbach an der Kunstakademie Düsseldorf und schloss 2016 als Meisterschüler ab. Seine Kunstwerke erforschen Assoziationen und semiotische Prozesse, die den formalen Eigenheiten von Alltagsgegenständen zu eigen sind. Nach einem Atelierstipendium des Kölnischen Kunstvereins 2016 folgten zahlreiche institutionelle Gruppen- und Einzelausstellungen wie „Whiteout“ bei Nymphius Projekte in Berlin, „Alcohol Works“ bei Roberts & Tilton in Los Angeles oder im Centre d’art contemporain Meymac in Frankreich. Seine Werke befinden sich u. a. in Sammlungen wie dem Deji Art Museum in Nanjing, China, in der Marciano Art Foundation in Los Angeles oder der Frost Foundation in Santa Fe, USA.
Thomas Wachholz’ künstlerische Praxis bewegt sich medienübergreifend zwischen Malerei, Skulptur und Objektkunst. Dabei legt er stets ein besonderes Augenmerk auf die formalen und symbolischen Eigenheiten alltäglicher Gegenstände. Ein zentrales Motiv seines Œuvres ist das Streichholz: klein, unscheinbar und doch aufgeladen mit Bedeutung, Funktion und poetischer Kraft.
Was mit einer Sammelleidenschaft begann – dem Aufbewahren von Streichhölzern und ihren Verpackungen –, entwickelte sich bei Wachholz zu einer tiefgreifenden künstlerischen Reflexion über Form, Erinnerung und Bedeutung. In seinen Arbeiten untersucht er die semiotischen Prozesse, die in Alltagsobjekten verborgen liegen: Wie schreibt sich Bedeutung in Materialität ein? Und was bleibt, wenn einem Gegenstand seine Funktion entzogen wird?
Wachholz’ Werke bewegen sich stets in einem Spannungsfeld aus Klarheit und Irritation: Die Wiederholung grafischer Elemente, die Reduktion auf Struktur, Raster und Farbfeld sowie die bewusste Auslassung erzählerischer Details erzeugen Bilder, die zwischen Wiedererkennung und Abstraktion oszillieren. In seinen jüngeren Werkgruppen – etwa den großformatigen Streichholz bildern oder bronzenen Skulpturen abgebrannter Hölzer – verbindet sich persönliche Erinnerung mit kollektiven Codes und Symboliken.
Ardi Goldman Kunst-
und Kulturstiftung gGmbH
60386 Frankfurt