Le Chambon-sur-Lignon
Hoffnungsträger
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Bodenrelief

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Es mussten Dinge getan werden, und wir waren zufällig da, um sie zu tun. Es war die natürlichste Sache der Welt, diesen Menschen zu helfen.
Personen:
André Trocmé
Magda Trocmé
Daniel Trocmé
Niemand fragte, wer Jude war und wer nicht. Niemand fragte, wo man herkam. Niemand fragte, wer dein Vater war oder ob man bezahlen kann.
Elizabeth Koenig-Kaufman, Überlebende
Niemand fragte, wer Jude war und wer nicht. Niemand fragte, wo man herkam. Niemand fragte, wer dein Vater war oder ob man bezahlen kann.
Abgelegen auf einem Hochplateau im französischen Zentralmassiv liegt Le Chambon-sur-Lignon. Ein kleines Dorf, tief verwurzelt in protestantischer Tradition, wurde es während des Zweiten Weltkriegs zum Zufluchtsort für Tausende Verfolgte – und zum Symbol für gelebte Zivilcourage.
Viele Bewohner des Dorfs stammten von verfolgten Hugenotten ab. Vielleicht war es diese eigene Erinnerung an Flucht und Schutzlosigkeit, die sie dazu bewegte, ohne Zögern zu helfen, als sich das Unrecht wiederholte – diesmal unter nationalsozialistischer Besatzung.
Schutz im Verborgenen
Nach der Besetzung Frankreichs 1940 und der Machtergreifung durch das Vichy-Regime wuchs der Druck auf jüdische Flüchtlinge rapide. Le Chambon, abgelegen und schwer zugänglich, wurde zur Zufluchtsstätte. Mit Unterstützung christlicher und jüdischer Hilfswerke organisierten die Dorfbewohner Unterkünfte, Nahrung, Kleidung, falsche Papiere und Fluchtrouten.
Tausende Verfolgte, darunter etwa 3.500 Juden, wurden in Privathäusern, Internaten, Bauernhöfen und Kinderheimen versteckt. Viele wurden nachts über die Grenze in die Schweiz geschleust – unter dem Risiko, selbst verhaftet zu werden.
Jeder hatte eine Aufgabe: einer wusste, wo Betten frei waren, ein anderer, wann Patrouillen kamen. Niemand fragte nach Herkunft, Religion oder Geld.
Unerschrockener Glaube an Menschlichkeit
Als 1942 die Gestapo die Auslieferung aller jüdischen Flüchtlinge forderte, widersetzte sich Pfarrer André Trocmé mit den Worten:
„Wir wissen nicht, was ein Jude ist. Wir kennen nur Menschen.“
Trotz Festnahmen – auch Trocmé und sein Kollege Édouard Theis wurden zweimal verhaftet – blieb der Widerstand bestehen. Die etwa 9.000 Einwohner der Region hielten zusammen, schützten über Jahre hinweg Verfolgte und ließen sich nicht beugen.
Erinnerung und Vermächtnis
Nach dem Krieg ehrte die israelische Gedenkstätte Yad Vashem 32 Einzelpersonen aus Le Chambon als „Gerechte unter den Völkern“. 1990 wurde das ganze Dorf samt Umgebung für seinen kollektiven Mut ausgezeichnet – ein nahezu einmaliger Vorgang.
Die Geschichte von Le Chambon zeigt: Zivilcourage beginnt nicht mit Heldentaten, sondern mit Haltung.
Hanna Schott: Von Liebe und Widerstand. Das Leben von Magda & André Trocmé. Neufeld, Schwarzenfeld 2011.
Albert Camus: Die Pest. Roman. Taschenbuch, 2. Neuauflage Berlin 2021.
1942 war Albert Camus etwa ein Jahr lang nahe Le Chambon. Dort fing er an, „Die Pest“ zu schreiben und darin Teile der Rettungsgeschichte einzuarbeiten.
Die Gedenkstätte in Chambon-sur-Lignon. Der 2013 eröffnete Gedenkort erzählt die Geschichte der Zuflucht und des Widerstands in Chambon-sur-Lignon und den umliegenden Dörfern während des Zweiten Weltkriegs.
Helden, die keine sein wollten. Dokumentarfilm von Marc Villiger und Tom Sommer, Schweiz 2015.
Im Jahr 2020 vermachte ein Wiener aus tiefer Dankbarkeit dem Ort Le Chambon-sur-Lignon einen Großteil seines Vermögens – als Zeichen der Anerkennung für die Rettung seiner Familie während des Zweiten Weltkriegs.
Oskar und Malcie Schwam flohen mit ihrem Sohn Erich zunächst aus Österreich nach Belgien, um der Verfolgung durch die Nationalsozialisten zu entkommen. Doch auch dort waren sie bald nicht mehr sicher. Schließlich fanden sie im abgelegenen französischen Zentralmassiv Zuflucht – in dem kleinen Ort Le Chambon-sur-Lignon mit damals rund 2.500 Einwohnern.
Nach dem Krieg blieb Erich Schwam bis zum Ende seiner Schulzeit in Le Chambon, ehe er zum Studium nach Lyon ging. Er arbeitete und lebte später in der Nähe der Stadt – bis zu seinem Tod.
Quelle: Philip Artelt: Der Wohltäter von Le Chambon-sur-Lignon. Geschichte einer großzügigen Erbschaft. Deutschlandfunk-Kultur Archiv, 26.07.2021.
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