Hoffnungsträger

Lore Wolf
11. März 1900

4. August 1996

PORTRAIT

Ein Leben ist viel zu wenig.

Lore Wolf, geborene Winkler, begann 1916 eine Ausbildung zur Stenotypistin bei der Stadtverwaltung Frankfurt-Höchst. Ihr Vorgesetzter, der SPD-Politiker und Stadtverordnetenvorsteher Karl Kirchner, und seine Frau, die spätere Widerstandskämpferin Johanna Kirchner, waren gut mit Lores Familie befreundet und kannten sich aus dem sozialdemokratischen Umfeld.
11. März 1900

4. August 1996
Sommerhausen

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Frankfurt am Main

Die Grenzen der Länder überschritt ich wie früher die Schwelle meiner Wohnung, nur die Gefahr, verhaftet zu werden, wuchs von Jahr zu Jahr. Hunger und Einsamkeit wurden vertraute Gefährten.

Die Grenzen der Länder überschritt ich wie früher die Schwelle meiner Wohnung, nur die Gefahr, verhaftet zu werden, wuchs von Jahr zu Jahr. Hunger und Einsamkeit wurden vertraute Gefährten.

Lore Wolf, geborene Winkler, begann 1916 eine Ausbildung zur Stenotypistin bei der Stadtverwaltung Frankfurt-Höchst. Ihr Vorgesetzter, der SPD-Politiker und Stadtverordnetenvorsteher Karl Kirchner, und seine Frau, die spätere Widerstandskämpferin Johanna Kirchner, waren gut mit Lores Familie befreundet und kannten sich aus dem sozialdemokratischen Umfeld. Kirchner machte Lore mit der Gewerkschaftsarbeit, der Sozialistischen Arbeiterjugend und den Naturfreunden vertraut – prägende Erfahrungen für ihren weiteren Weg. In diesem Kreis lernte sie auch Hans Wolf kennen, den sie 1923 heiratete. Zwei Jahre später kam ihre Tochter Hannelore zur Welt.
Als die Familie 1929 aus wirtschaftlicher Not in die USA und später in die Sowjetunion auswanderte, schien ein Neuanfang möglich. Doch 1933 kehrten sie aus Sorge um Freunde und Verwandte nach Frankfurt zurück. Die Gestapo nahm ihnen die Pässe ab und machte eine erneute Ausreise unmöglich.

Am 10. Mai 1933 sah Lore Wolf auf dem Frankfurter Römerberg, wie Bücher verbrannt wurden. Ein Bild, das sie nie vergaß. Kurz darauf schloss sie sich der inzwischen verbotenen KPD an und arbeitete für die Rote Hilfe. Im Untergrund verfasste sie Texte für Flugblätter und illegale Zeitungen, die zum Widerstand aufriefen. 1934 wurde ihre Gruppe verraten. Lore floh ins Saarland und nach dessen Anschluss an das Deutsche Reich weiter ins Exil nach Paris. Dort schloss sie sich der Résistance an, der französischen Widerstandsbewegung und unterstützte andere Exilierte. 1936 begegnete sie der Schriftstellerin Anna Seghers – eine Freundschaft, die ein Leben lang hielt. Spuren von Lore Wolfs Biografie finden sich in Seghers’ Roman Das siebte Kreuz.

Nach dem Einmarsch der Wehrmacht wurde Lore Wolf 1940 von der Gestapo verhaftet und nach Deutschland verschleppt. Am 18. Juni 1941 verurteilte sie der Volksgerichtshof wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ zu zwölf Jahren Zuchthaus. Während der Verhöre forderte man von ihr die Adresse Anna Seghers – doch Lore schwieg. Von Ende 1943 bis März 1945 war sie im Zuchthaus Ziegenhain in Einzelhaft. Trotz Isolation und Folter verriet sie niemanden.

Im März 1945 wurde sie in die Strafanstalt Fuhlsbüttel bei Hamburg deportiert, wo sie am 3. Mai von der britischen Armee befreit wurde. Doch sie verließ Hamburg nicht sofort. Ein britischer Offizier bat sie um Hilfe: Zahllose befreite Personen mussten in ihre Heimatorte zurückkehren – ein Kraftakt im zerstörten Deutschland. Drei Monate lang stellte Lore Papiere aus und half beim Aufbau eines Komitees für ehemalige politische Gefangene.
Am 8. August 1945 kehrte Lore Wolf nach Frankfurt zurück. Der Anblick der zerstörten Stadt traf sie schwer. In der ausgebombten Wohnung erwartete sie ihre Tochter Hannelore – inzwischen erwachsen.

Lore Wolf wurde stellvertretende Leiterin einer Betreuungsstelle für NS-Verfolgte und blieb bis zu ihrer Pensionierung 1965 in der Stadtverwaltung tätig. Auch danach engagierte sie sich politisch – bis zum Verbot 1956 in der KPD, später in der DKP und in der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes. Als Zeitzeugin sprach sie auf Veranstaltungen und diskutierte vor allem mit Jugendlichen – damit die Verbrechen des Nationalsozialismus nicht in Vergessenheit gerieten.

Quellen: Alina Besser: Lore Wolf (Biografie). Zum Feind Gemacht – Bundesverband Information und Beratung für NS-Verfolgte – Online. Ursula Kern: Lore Wolf. Frankfurter Frauenzimmer- Online.

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