Mügge Sitting. Standing. Shielding. Shouting, 2024
Der Kunstparcours
Sitting. Standing. Shielding. Shouting, 2024
We also usually introduce some materials that we had never used before, such as the windows. Working on spot can be a challenge because we have to leave our comfort zone, but at the same time, it is such a joy to incorporate carefully selected material from a local context and present it in a completely new way.
Sebastian Mügge lebt und arbeitet in Kristianstad, SWE.
*1981 in Bonn, DE
EDUCATION
Diplom Malerei und Skulptur Kunstakademie Düsseldorf, Düsseldorf
Sebastian Mügge:
B.A. Umeå Academy of Fine Arts, Stockholm
MFA, Umeå Academy of Fine Arts, Stockholm
GRANTS, AWARDS, RECOGNITION
2024 Artist Residency, Van Gogh AiR, Zundert
2025 Grafikstipendium, ÖKKV, Örnsköldsvik
Sebastian Mügge:
2023 Lengertz Art Prize
2024 IASPIS / Schwedischer Kunstförderungsausschuss – Stipendium für internationalen Kulturaustausch
- zum Standort navigieren
Ein Blick hinter das Werk
Christoph und Sebastian Mügge – Sitting. Standing. Shielding. Shouting.
Die Installation „Sitting. Standing. Shielding. Shouting.“ von Christoph und Sebastian Mügge widmet sich auf vielschichtige und gleichzeitig spielerische Weise dem Thema Widerstand.
In der Einfahrt der Tiefgarage auf dem Union-Gelände verwandeln die Künstler bestehende Barrieren in ein visuelles Geflecht aus Wandmalereien, Zeichnungen, eigens entworfenen Bannern und arrangierten Objekten. Sie kombinieren Fundstücke, Symbole und visuelle Zitate zu einer raumgreifenden Collage, die politische Protestformen ebenso verhandelt wie gesellschaftliche Narrative über Macht, Rebellion und Hoffnung. Die Arbeit lebt vom Zusammenspiel harmloser Alltagsgegenstände mit ihrer in konkreten politischen Kontexten aufgeladenen Bedeutung.
Die Regenschirme, bekannt aus den Hongkong-Protesten ab 2019, bei denen sich Millionen Menschen zunächst gegen ein geplantes Auslieferungsgesetz und später für Demokratie und gegen den wachsenden Einfluss Chinas einsetzten, stehen längst für mehr als nur den Schutz vor Wasserwerfern – sie sind zu einem Symbol des Widerstands und zum Ausdruck des Wunsches nach demokratischer Selbstbestimmung geworden. Pinguine, auf den ersten Blick niedlich und unpolitisch, wurden in der Türkei zu einem Zeichen des zivilen Ungehorsams, als während regierungskritischer Proteste ein Fernsehsender statt einer Liveübertragung eine Pinguin-Dokumentation ausstrahlte, ein absurder Akt der staatlich gelenkten Zensur. Auch in Chile griffen Protestierende 2006 das Pinguin-Motiv auf, trugen es als Kostüm auf die Straße, um friedlich für soziale und wirtschaftliche Gerechtigkeit zu demonstrieren. Diese Momente verdichten sich in der Installation zu einer Erzählung, in der Ironie und Ernst ineinandergreifen.
Ein leerer Stuhl verweist auf das Fehlen, den Verlust von Individuen durch politische Repression, ihre Abwesenheit in gesellschaftlichen Prozessen oder ihr gewaltsames Verschwinden. Die Gummiente, wie sie in mehreren Protestkontexten als ironisches Symbol auftauchte, verweist auf die Absurdität politischer Entscheidungen – und macht zugleich deutlich, dass Humor ein subversives Werkzeug des Widerstands sein kann. In Belarus wurden Teddybären als Träger politischer Botschaften genutzt und zeigten, dass auch harmlos erscheinende Objekte kraftvolle Zeichen des Protests sein können. Ein Koffer verweist auf Flucht, den Moment des Packens unter Zwang oder Bedrohung. In der Installation steht er dafür, sich einer repressiven Realität nicht zu unterwerfen, ein stiller, entschlossener Akt der Selbstermächtigung.
Auch Rettungswesten und Rettungsringe sind Teil der Arbeit. Sie symbolisieren nicht nur Schutz, sondern auch Gemeinschaft und Unterstützung in schwierigen Zeiten. In der Sprache des Widerstands stehen sie für Netzwerke, die tragen, Wissen, das nicht untergeht, und Hoffnung, die sich gegen Unterdrückung behauptet. Diese Hoffnung zeigt sich auch in den drei Fingern, die in Myanmar und Thailand zur Geste gegen Militärputsche geworden sind. Ein visueller Protest, der in der globalen Bildsprache des Widerstands längst einen festen Platz hat. Ähnlich kraftvoll wie die leeren Blätter Papier, die in Russland und China bei Demonstrationen gegen die eigene Regierung hochgehalten wurden – wo Worte verboten sind, sprechen Symbole.
Christoph und Sebastian Mügges Installation denkt den Widerstand jedoch nicht nur im Analogen. Die Wandmalereien durchziehen Hashtags und Hashtag-Symbole in verschiedenen Sprachen, viele davon wurden in ihren Ursprungsländern zensiert oder verboten. Damit thematisieren die Künstler auch die Rolle digitaler Räume, sozialer Netzwerke und Online-Plattformen als neue Arenen des Protests. Gleichzeitig reflektieren sie mit einem Augenzwinkern den sogenannten „Clicktivism“, also die Form des digitalen Aktivismus, der sich oft auf Likes, Shares und symbolische Gesten beschränkt. Humorvolle Details in der Installation verweisen ironisch auf diesen Sofa-Aktivismus, ohne ihn gänzlich zu diskreditieren.
„Sitting. Standing. Shielding. Shouting.“ ist ein Statement – komplex, kritisch und zugleich humorvoll. Es erzählt vom Widerstand als vielgestaltigem Phänomen: laut und leise, sichtbar und unsichtbar, analog und digital. Die Arbeit macht deutlich, dass politischer Protest bunt und facettenreich sein kann. Manchmal genügt ein leerer Stuhl, eine Ente – oder eben ein Pinguin im richtigen Moment.
In ihrer Zusammenarbeit realisieren die Brüder seit Jahren ortsspezifische, großformatige Installationen, die durch eine Kombination aus gefundenem Material, eigenem Formvokabular und technischer Vielfalt geprägt sind. Ihre Werke entstehen oft in enger Zusammenarbeit, greifen aber auch individuelle Positionen auf.
Die Brüder arbeiten – gemeinsam und unabhängig voneinander – als Bildhauer, Maler, Filmemacher und Installationskünstler. Naturmaterialien, Holz, Alltagsobjekte oder Abfallprodukte fügen sich in ihren Arbeiten zu einem komplexen Ganzen, das nie vollständig entschlüsselbar ist, doch gerade dadurch Raum schafft für eigene Assoziationen und Deutungen. Jede ihrer Arbeiten ist eine Suche nach politischen, persönlichen oder gesellschaftlichen Geschichten, nach Spuren, die sich in Dingen einschreiben und durch künstlerische Bearbeitung neu lesbar werden.
Sebastian Mügge zog 2006 für ein Kunststudium nach Umeå in Nordschweden, die Heimat seiner Mutter. In seinen Arbeiten beschäftigt er sich mit Fragen von Identität, Kindheit, Konflikt, Schuld und sucht stets nach einer Verbindung unterschiedlicher künstlerischer Disziplinen zu einem umfassenden, narrativen Werk. Christoph Mügge, der an der Kunstakademie Düsseldorf zunächst Malerei bei Tal R und später Bildhauerei bei Richard Deacon studiert hat, begann bereits in der Malereiklasse mit Collagen, die sich zunehmend in den Raum erweiterten – ein Pfad, den er stets weiterentwickelt hat und der sich bis heute in seinen installativen Arbeiten zeigt.
Über die Künstler:in
Die in Bonn geborenen Brüder Sebastian (*1981) und Christoph Mügge (*1983) leben in Schweden. Seit 2017 arbeiten sie als Künstlerduo und haben in mehr als zwanzig Ländern ausgestellt, u. a. im Nordic House (Tórshavn, FO), auf der Ostrale Biennale für zeitgenössische Kunst in Dresden und der P8 Gallery (Tel Aviv, IL). Sebastian hat 2011 seinen Master of Fine Arts (M.F.A) an der Kunstakademie Umeå gemacht, Christoph 2013 seinen Akademiebrief an der Kunstakademie Düsseldorf erworben. 2024 erhielten sie das zweijährige Arbeitsstipendium vom Swedish Arts Grants Committee. Gemeinsam realisieren sie großformatige ortsspezifische Projekte, die in einer Kombination aus gefundenem Material und ihrem eigenen, unverwechselbaren Stil entstehen, wobei sie eine Vielzahl von Techniken einsetzen.
Ardi Goldman Kunst-
und Kulturstiftung gGmbH
60386 Frankfurt